Golden, verschnörkelt, pompös – so stellen sich die meisten von uns die Epoche des Barock vor. Das suggerieren vor allem die üppig ausgestatten Kirchen und Schlösser aus jener Zeit. Das barocke Zeitalter, das vom Beginn des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts andauerte, war kulturell gesehen innovativ und fruchtbar. Doch es hatte auch ganz andere Seiten. Anlässlich unseres Barock-Wochenendes vom 23. bis 25. Februar 2024 stellen wir einige Fakten zum Barock und seiner Musik vor.
Dieses Zitat wird gerne dem französischen König Ludwig XIV. in den Mund gelegt. Heute wissen wir, dass Ludwig das so nie formuliert hat. Doch diese Worte zeigen das Selbstverständnis der barocken Herrscher. Sie stehen unangefochten an der Spitze des Staates, nur Gott verpflichtet. Dieser absolutistische Anspruch berechtigte die Fürsten zu prunkvoller Repräsentation: Sie bauten pompöse Schlösser, feierten rauschende Feste, pflegten einen luxuriösen Lebensstil. Malerei, Literatur und Musik gehörten untrennbar dazu und erfuhren einen enormen Aufschwung. Die politisch führenden Mächte waren der Habsburger Kaiserhof in Wien und das französische Königshaus.
Der Pracht der Herrschenden, die ihren Luxus mit hohen Steuern finanzierten, stand die Armut vieler Untertanen gegenüber: Hunger, Not, Plünderungen und Krankheiten gehörten zum Alltag. Der Dreißigjährige Krieg hatte ganze Landstriche verwüstet und die Bevölkerung dezimiert: »Vanitas mundi«, die Vergänglichkeit alles Irdischen, erlebten die Menschen nahezu täglich. Das Bewusstsein, wie schnell das Leben zu Ende sein kann, schürte eine ungeheure Lust zu leben »Carpe diem«, nutze den Tag: Diese Parole prägte das Lebensgefühl der Menschen. Diese Einstellung spiegelt auch die Kunst jener Zeit wider.
Während der Barockzeit trugen die Menschen prunkvolle Outfits: Die Damen schnürten ihre Oberkörper in Mieder aus Fischbein ein, die die Taille schlank machten und das Dekolleté gut zur Geltung brachten. Um die Hüften zu betonen, benutzen sie Hüftpolster, sogenannten »Weiberspeck«, oder Reifröcke. Bei den Herren wurde der Justeaucorps, eine Art Mantel, zur wichtigsten Oberbekleidung. Beide Geschlechter ließen ihre Garderobe aus kostbaren Spitzen-, Seiden-, Brokat- oder Samtstoffen anfertigen. Unverzichtbar waren Perücken, sie kaschierten Haarausfall und den schlechten Geruch ungewaschener Haare. Denn man reinigte sich damals selten mit Wasser, sondern benutzte Puder und Schminke für ein gepflegtes Auftreten. Körpergerüche wurden mit Parfüm übertüncht.
Zum Lobe Gottes und der Fürsten – dafür wurde vor allem die Musik eingesetzt. Die Musik diente dazu, das gesteigerte Repräsentationsbedürfnis der adligen Herrscher und der kirchlichen Institutionen klanglich zu begleiten. So waren dann auch die Kirche und der Adel die wichtigsten Impulsgeber für das musikalische Leben. Für die Hochzeitsfeierlichkeiten seines Sohnes beispielsweise machte der sächsische Kurfürst August der Starke – so wird berichtet – vier Millionen Taler locker, mit denen neben Maskeraden, Umzügen und Jagden, auch mehrere Musikaufführungen finanziert wurden. Auch in den Kirchen, egal ob katholisch oder evangelisch, wurden klangprächtige Aufführungen abgehalten. Vorbildcharakter hatten die mehrchörigen Konzerte im Markus-Dom zu Venedig, aus ihnen entwickelte sich die geistliche Musik des 17. und 18. Jahrhunderts.
Musikalisch gesehen, war das Barock eine aufregende Zeit, weil sich ein ganz neues Musikverständnis etablierte. Komponisten, die ihre Werke verkaufen wollten, warben damit, dass diese im »Italiänischen« Stil geschrieben seien. Denn Italien gab damals den Ton an – zumindest musikalisch gesehen. Anfang des 17. Jahrhunderts kamen dort neue musikalische Gattungen in Mode: die Triosonate, das Konzert und die Oper. Der geschlossene chorische Klang der Renaissance wich dem konzertierenden Wechsel solistischer Stimmen. Experimentallabore dafür waren die oberitalienischen Fürstenhöfe, allen voran Mantua und Florenz, sowie die Republik Venedig. Von Italien aus eroberten die neuen Formen ganz Europa.
Das Barock heißt in der Musik auch als »Generalbasszeitalter«, weil der Bass das Fundament der Komposition bildet. Der Verlauf der Bassstimme gibt die Harmonik vor, darüber können die Oberstimmen ihr Spiel frei virtuos und brillant entfalten. Schnelle Läufe, Koloraturen und raffinierte Verzierungen zeigen, wie gut ein Solist oder Sänger sein Metier beherrscht. Damit der Bass auch wirklich profund klingt, wird er meist von einer Gruppe von Instrumenten gespielt. Typische Instrumente der sogenannten »Basso-continuo«-Gruppe sind Orgel, Cembalo, Laute, Theorbe, Viola da Gamba, Violoncello oder Fagott.
»Piangerò la sorte mia …« (Ich beweine mein Schicksal) singt die Königin Kleopatra in Georg Friedrich Händels Oper Giulio Cesare. Ihre Klage ist heute eine der bekanntesten Barockarien. Die Musik des Barock entdeckte die Emotion als Gestaltungsziel, es galt die verschiedensten menschlichen Affekte, Freude, Liebe, Wut, Hass, Trauer, Zufriedenheit, musikalisch auszudrücken und die Zuhörenden damit in ihren Herzen zu berühren.
Das Barock ist auch das Zeitalter, in dem sich eine eigenständige Instrumentalmusik entwickelte. Hand in Hand damit gingen zahlreiche Erfindungen im Instrumentenbau. Kreative Handwerker suchten den Klang der Instrumente zu verbessern und verfeinern. Italienische Geigenbauer wie Amati, Stradivari oder Guarneri schufen Violinen mit einem unnachahmlichen Ton. Nicht ganz so klangvoll, aber ungeheuer praktisch war die kleine Taschengeige, die Tanzlehrern erlaubte, eine Melodie anzustimmen und gleichzeitig die Tanzschritte vorzuführen. Aus der mittelalterlichen Schalmei entwickelte sich die heutige Oboe, deren nasaler, obertonreicher Ton sich großer Beliebtheit erfreute. Etwas dunkler und wärmer klingt die mit seinem sogenannten »Liebesfuß«, einem birnenförmigen Schalltrichter, versehene Oboe d’amore. Der preußische König Friedrich der Große besaß ein zusammenklappbares Reisecembalo, das in Frankreich hergestellt wurde.
Weil es Frauen verboten war in der Kirche zu singen, wurden die hohen Stimmen von Knaben und Kastraten gesungen. Es galt zeitweise auch als unschicklich, dass Frauen auf der Bühne auftraten. Dies führte zum Aufstieg der Kastraten – sowohl in weiblichen wie männlichen Rollen. Die kräftigen und gleichzeitig engelsgleichen Stimmen begeisterten die Musikwelt und so wurden die Kastraten gefeiert wie Popstars.
Der Gesang des Gasparo Pacchierotti rührte wohl sogar die Orchestermusiker so sehr, dass sie nicht weiterspielen konnten. Um zu Starruhm zu kommen, wurden Knaben vor dem Stimmbruch der schmerzhaften und nicht ungefährlichen Prozedur der Kastration unterzogen. Der berühmteste Kastrat jener Zeit war Farinelli, der – so ein zeitgenössischer Bericht – alle anderen Sänger mit seinem messa di voce, dem An- und Abschwellen von Tönen, und seiner Atemtechnik, dank derer er die Töne sehr lang aushalten konnte, übertraf.