Autor*in: Oliver Hilmes
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Bertold Stecher | Bild: Sibylle Fendt

In dieser Rubrik stellen wir Berliner Philharmoniker und ihre außermusikalischen Leidenschaften vor. Heute: Trompeter Bertold Stecher, der gerne Farben zum Klingen bringt.

»Ich liebe die Bilder beinahe ebenso sehr wie die Musik«, erklärte einst Claude Debussy und stellte sichtlich stolz fest: »Es ehrt mich sehr, dass Sie mich einen Schüler von Monet nennen.« Ein Komponist, der bei einem Maler in die Lehre geht? Dass sich die bildende Kunst und die Musik in der Vergangenheit gegenseitig befruchtet haben, ist kein Geheimnis. So kennen wir aus der Musikgeschichte zahlreiche Kompositionen, die sich ausdrücklich auf Bildwerke beziehen. Die bekannteste ist sicherlich Modest Mussorgskys Zyklus Bilder einer Ausstellung, worin der Komponist zehn Gemälde und Zeichnungen des Malers Viktor Hartmann beschreibt. Mussorgskys Zeitgenosse Franz Liszt fühlte sich von Wilhelm von Kaulbachs Fresko Die Hunnenschlacht zu einer gleichnamigen Symphonischen Dichtung inspiriert, und Arnold Böcklins bekanntes Bild Die Toteninsel regte neben Max Reger oder Sergej Rachmaninow noch einige andere mehr zu üppiger Tonmalerei an. 

Doch wie kommt ein Orchestermusiker zur Malerei? »Ich habe bereits als kleines Kind gerne gemalt und gezeichnet«, sagt Bertold Stecher, der seit zwei Jahren Trompeter bei den Berliner Philharmonikern ist. Der 37-Jährige stammt aus dem Vinschgau im Westen Südtirols an der Grenze zur Schweiz und zu Österreich. »Das ist eine künstlerisch begabte Gegend«, erläutert er und nennt etwa den 1960 geborenen Erich Stecher, mit dem Bertold aber nicht verwandt ist. Bei ihm hat er als Jugendlicher ein Praktikum absolviert und erste Erfahrungen gesammelt. Erich Stecher hat seinem jungen Namensvetter seine Vorliebe für kräftige Farben wie Rot, Blau und Grün vermittelt. Wenn Bertold Stecher sich im kleinen Atelier seiner Charlottenburger Dachgeschosswohnung vor die Staffelei stellt, lässt er seinen Emotionen freien Lauf und bringt expressive Landschaften, Stimmungen und Eindrücke auf die Leinwand. 

Ein anderer Vinschgauer Maler ist der 1953 in Laas geborene Jörg Hofer. »Er war der erste Künstler, der Laaser Marmorsand in seinen Werken verarbeitet hat.« Hofers ausdrucksvolle Darstellungen der Tiroler Natur haben es Bertold Stecher angetan: »Dabei ist er kein Landschaftsmaler im klassischen Sinne. Er spricht oft vom ›Klang der Farben‹. Erst wenn es ihm gelinge, ein Bild zum Klingen zu bringen, sei seine Malerei gelungen. Das finde ich als Musiker natürlich besonders spannend.« 

Gibt es etwas, an das er sich noch nicht herangetraut hat? Er würde gerne einmal ein Porträt malen, antwortet Bertold Stecher, doch dieses Sujet war ihm bislang zu schwierig. Inspiration findet er derweil in den zahlreichen Berliner Museen, mit Vergnügen besucht er die Gemäldegalerie mit ihren Sammlungen europäischer Malerei vom 13. bis zum 18. Jahrhundert und die Neue Nationalgalerie, die bedeutende Werke der klassischen Moderne zeigt. Bertold Stechers Augen leuchten, als er mir erklärt, wie er dann ganz nah an ein Bild tritt, um die Maltechnik ausführlich studieren zu können. »Bei jedem Museumsbesuch lerne ich eine Menge Neues«, gesteht er. »Wie hat der Maler es geschafft, genau diesen Eindruck entstehen zu lassen? Welche Farbtöne verwendet er?« 

Mit zehn Jahren begann Bertold Stecher mit dem Trompetenspiel. Wäre die bildende Kunst jemals eine berufliche Alternative zur Musik gewesen? »Nein«, erwidert er lächelnd. »Doch es ist sehr beglückend, dass ich mich neben der Musik auch ein wenig in der Malerei ausdrücken kann. Was will man mehr?«