Sie ist heute vor allem als Gattin des genialen Komponisten Robert Schumann bekannt. Doch zu ihrer Zeit stand sie selbst im Rampenlicht: die Pianistin, Komponistin und Pädagogin Clara Schumann. Im Mai spielen die Berliner Philharmoniker ihr romantisches Klavierkonzert. Als Solistin debütiert die italienische Pianistin Beatrice Rana.
Was für ein Leben! Als Tochter eines Klavierlehrers und Instrumenten-Händlers wurde die 1819 in Leipzig geborene Clara Wieck zu einem bestaunten Wunderkind der internationalen Musikwelt. Dem knapp zehn Jahre älteren Robert Schumann begegnete sie bereits in jungen Jahren. Aus der Verbindung gingen acht Kinder hervor, deren Erziehung sie unter finanziell immer wieder angespannten Verhältnissen mit ihrer Konzerttätigkeit zu vereinbaren versuchte.
1853 lernten die Eheleute Schumann den gerade 20 Jahre alten Johannes Brahms kennen. Es bleibt Claras Geheimnis, ob es zwischen ihr und Brahms zu einer Liebesbeziehung kam. Jedenfalls hielt die nicht unkomplizierte Freundschaft bis zum Lebensende der Musikerin. Nach Roberts Tod 1856 festigte Clara Schumann international ihren Ruf als herausragende Pianistin ihrer Zeit. Nicht weniger als 19 Tourneen führten sie allein nach England. Daneben war sie eine verehrte, von manchen wegen ihrer Strenge auch gefürchtete Pädagogin. Ihre letzten 20 Lebensjahre wohnte sie in Frankfurt am Main, wo die »Erste Klavierlehrerin« am Konservatorium als magnetisch wirkende Autorität Schülerinnen und Schüler aus aller Welt anzog.
Faszinierend ist Clara Schumann auch als Zeitzeugin einer künstlerisch wie politisch bewegten Epoche: Als sie 1819 geboren wurde, lebten Napoleon, Goethe, dem sie als Kind vorgespielt hat, Beethoven und Schubert noch; als sie 1896 starb, hatten Debussy, Mahler und Richard Strauss bereits die musikalische Moderne eingeläutet. Sie erlebte als zeitweise unmittelbar Betroffene die Revolution von 1848, später die deutsche Reichsgründung und die beginnende Gründerzeit mit. Von zentraler Bedeutung war daneben für eine international konzertierende Musikerin nicht zuletzt die Entwicklung der Verkehrsmittel: Clara Schumann ist in ihren frühen Jahren in Schiffen, Kutschen und im Rahmen einer Russland-Tournee sogar auf Schlitten gereist. Später wurden ihre Auftritte im In- und Ausland durch das beständig wachsende Streckennetz der Eisenbahn erleichtert.
Damit war Clara Schumann zunächst eine zentrale Protagonistin und später eine Überlebende und Hüterin der romantischen Epoche. Kein Wunder, dass sich ihre Haltung zur musikalischen Produktion ihrer Zeit über die Jahrzehnte wandelte. Während sie sich in ihrer mittleren Schaffensphase für die damals avancierte Musik Robert Schumanns und Chopins einsetzte, war das Repertoire der reiferen Künstlerin bereits historisch geworden: Von den Komponisten, deren Werke sie in ihren Programmen spielte, war nach Roberts Tod nur noch Johannes Brahms am Leben; und Brahms und Schumann galten im Vergleich zum Lager der »Zukunftsmusik« um Liszt und Wagner als konservativ.
Aus gegenwärtiger Sicht ist allerdings viel auffälliger, dass sich nahezu alle von ihr gespielten Werke bis heute im Repertoire behauptet haben. Reine Klavier-Recitals, wie wir sie heute kennen, hat die Pianistin zwar eher selten gegeben; sie bevorzugte gemischte Programme, in denen sie Solo-Stücke mit Klavierkonzerten oder Kammermusik und Liedern kombinierte. Im Hinblick auf Komponisten und Stückwahl zeigte sie aber einen untrüglichen Instinkt: Außer Bach, Scarlatti, Mozart und Beethoven, dessen berüchtigte Hammerklaviersonate sie als eine der ersten Pianistinnen öffentlich aufführte, stand Musik von Schubert, Chopin, Mendelssohn und immer wieder natürlich auch von Robert Schumann auf ihren Programmen.
Tonaufzeichnungen der Pianistin, die technisch am Ende des 19. Jahrhunderts möglich gewesen wären, gibt es leider nicht. Die Forschung hat aber doch aus Presseberichten, Aufnahmen ihrer Schülerinnen und ihren eigenen Editionen von Robert Schumanns Werken, in die sie Tempo- und Pedal-Anweisungen sowie Fingersätze eintrug, Hinweise auf ihre ungeheure technische Souveränität und ihr Interpretationsverständnis rekonstruiert. Zweifellos hat Clara Schumann maßstäblich daran mitgewirkt, den heute selbstverständlichen Wert der »Werktreue« im Sinne einer geistigen Durchdringung bedeutender Musik durchzusetzen.
Wie bei allen überlebensgroßen Gestalten der Kulturgeschichte hat sich auch der Blick auf Clara Schumann über die Zeiten gewandelt, versuchte Denkmalstürze inklusive. Es ist ein Zufall, aber auch eine rezeptionshistorische Ironie, dass Clara Schumann 1990 zum Gesicht auf den 100-Mark-Scheinen und im selben Jahr zum Gegenstand einer alles andere als wohlwollenden Biografie wurde: Sarkastisch und mit frischer Wut auf den Kitsch, der sich tatsächlich um das »hohe Paar« der Romantik in all den Jahrzehnten angelagert hatte, malte Eva Weissweiler ohne erkennbare Sympathie für ihre Heldin Claras Kindheits-, Ehe- und Familiengeschichte in den schwärzesten Farben. So einseitig die Biografin viele Quellen auch auslegte, so hat sie der Clara-Schumann-Forschung doch Impulse gegeben und lange tabuisierte Aspekte angesprochen: Die Schattenseiten eines Lebens, das oft nur mit strengster Selbstdisziplin bewältigt werden konnte; das beklemmend wirkende Verhältnis zum autoritären Vater; das immer wieder wohl auch klaustrophobische Eheleben mit einem Komponisten, dessen Werke im Spannungsfeld von idealistischen Höhenflügen und Abstürzen in die Depression entstanden.
In der aktuellen Literatur überwiegt die Bewunderung für ein menschlich wie künstlerisch beeindruckendes Lebenswerk. Jedenfalls ist die Forschung zu Clara Schumann vier Jahre nach ihrem 200. Geburtstag so lebendig und produktiv wie vielleicht noch nie. Neben der romantischen hat sich dabei eine ausgesprochen moderne Clara Schumann zu erkennen gegeben. Im Hinblick auf die Organisation ihrer eigenen Konzertauftritte fällt es nicht schwer, von »Management«, »Networking« und der Bemühung zu sprechen, angesichts einer oft auch missgünstigen Öffentlichkeit das eigene »Image« unter Kontrolle zu behalten. Vorbildlich bleibt daneben, wie sich Clara Schumann mit unbeugsamer Beharrungskraft und musikalischem Ausdruckswillen in einer Männerwelt behauptete, die autonomen Künstlerinnen gegenüber feindselig gesinnt war.
Schließlich sind auch die eigenen Werke der Musikerin, die leider nach dem Tod ihres Mannes fast ganz mit dem Komponieren aufhörte, in ihrer Bedeutung erkannt worden. Ihr Œuvre umfasst so originelle wie wunderschöne Lieder und Romanzen, Variationszyklen, Charakterstücke, ein großartiges Klaviertrio und – als einziges Werk mit Orchester – auch ein Klavierkonzert.
Auch für die Berliner Philharmoniker hat Clara Schumann eine große Rolle gespielt und durch ihre insgesamt fünf Konzertauftritte zwischen 1883 und 1889 persönlich eine Kontinuität des modernen Orchesters mit der Zeit der Früh- und Hochromantik hergestellt. Clara Schumanns Klavierkonzert in a-Moll, das die Komponistin selbst 1835 im Alter von 16 Jahren unter der Leitung von Felix Mendelssohn-Bartholdy uraufgeführt hat, spielen die Philharmoniker nun endlich zum ersten Mal.
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