Die frühen Jahre seiner Ehe mit Clara Wieck waren für Robert Schumann eine Zeit des Glücks und der Schaffenskraft. Einige seiner schönsten Werke verdanken wir dieser Phase, darunter die Vierte Symphonie. Beginn und Ende dieser Liebe waren jedoch von Kämpfen überschattet – gegen ihren Vater, gegen seine schwindende Gesundheit. Diese Woche dirigiert Kirill Petrenko drei ausverkaufte Konzerte mit Schumanns Vierter.
Als sie einander das erste Mal begegneten, am 31. März 1828, war Clara noch ein Kind. Gerade achteinhalb Jahre alt, bereitete sie sich auf ihren ersten öffentlichen Auftritt als Pianistin vor, der ein halbes Jahr später im Leipziger Gewandhaus stattfand. Robert, neun Jahre älter und gerade zum Jurastudium nach Leipzig gekommen, nahm bald Klavierstunden bei Claras Vater. Friedrich Wieck handelte mit Klavieren und verlieh Musikalien, und obwohl er selbst keine musikalische Ausbildung erhalten hatte, war er als Pädagoge begehrt. Nach zwei Gastsemestern Roberts in Heidelberg (wo er den juristischen Vorlesungen genauso aus dem Weg ging wie in Leipzig) wurde der Unterricht fortgesetzt.
Schon seit Kinderzeiten literarisch sein Leben reflektierend, erfand Robert Fantasiefiguren als Abbild von Wieck (Meister Raro), Clara (Zilia) und sich selbst (der Janusköpfigkeit seiner Natur folgend schuf er gleich zwei: den aufbrausenden Florestan und den tiefsinnigen Eusebius). Hinter der ebenfalls vorkommenden Charitas verbarg sich Christel, eine Freundin, die sich Schumanns weniger feingeistigen Interessen annahm. Wahrscheinlich infizierte er sich damals mit Syphilis, deren Folgen ein Jahrzehnt später zur Katastrophe führten.
Während Clara heranwuchs, in Begleitung ihres Vaters auf Konzertreisen ging und zur europäischen Berühmtheit wurde, machte sich Schumann mit seiner Doppelbegabung einen Namen: komponierend (zunächst ausschließlich für Klavier) und publizierend (als Gründer, Redakteur und Autor der noch heute bestehenden Neuen Zeitschrift für Musik). Hatte sich 1833 in seinen Impromptus op. 5 über ein Thema von Clara Wieck schon angedeutet, dass sich Schumann zu dem »menschlich und künstlerisch frühreifen« Mädchen (Arnfried Edler) hingezogen fühlte, verlobte er sich dennoch im Sommer 1834 mit Ernestine von Fricken.
Schon im Jahr darauf löste er die Verbindung, denn nun begann die Liebe zwischen Clara und Robert, in gesittet zärtlichem Beisammensein und in immer leidenschaftlicheren Briefen. Bald witterte Vater Wieck, was da im Busch war. Er wies dem jungen Mann die Tür, schickte Clara auf Tour und tat alles, um die beiden voneinander fernzuhalten. Über ein Jahr lang konnten sie sich nicht sehen. Aber die Liebe widerstand, und am 14. August 1837 gaben sie einander brieflich das Jawort.
Der Versuch, Wieck umzustimmen, geriet zur Tortur, denn der schwänzte nicht nur gerichtlich anberaumte Termine zur gütlichen Einigung, sondern bezichtigte den jungen Komponisten öffentlich der Trunksucht, Labilität und Geschäftsuntüchtigkeit, des Egoismus und des Stumpfsinns. Schumann – inzwischen von der philosophischen Fakultät aufgrund seiner Verdienste zum Ehrendoktor ernannt – blieb nichts anderes übrig, als mit einer Klage zu antworten. Da Wieck keine Beweise für seine Behauptungen vorlegen konnte, ermöglichte am Ende ein Gericht die Eheschließung.
Am 12. September 1840 heirateten Clara und Robert in Schönefeld bei Leipzig. Es war das Jahr, in dem sich Schumann einer Gattung widmete, der er lange Zeit mit Geringschätzung begegnet war: Um die 140 Lieder, eine kreative Eruption, waren Frucht dieses »Liederjahrs«. Auch auf anderen Gebieten, die er vorher gemieden oder noch nicht bewältigt hatte, explodierte Schumanns Schaffen, im Symphonischen und in der Kammermusik. Clara hatte daran wesentlichen Anteil: Auf ihr Drängen schrieb er sein Klavierkonzert, sie erstellte den Klavierauszug zum Oratorium Das Paradies und die Peri (1843) und begleitete die Proben am Klavier. Im Gegenzug förderte er ihr eigenes Komponieren, etwa indem er in seinem Liederzyklus Liebesfrühling drei Vertonungen von ihr veröffentlichte.
Ein wöchentlich im Wechsel geführtes »Ehetagebuch« verzeichnet den Überschwang der Liebe wie ihre Anfechtungen, den Gleichklang der Eheleute und ihre Dissonanzen, die sie immer wieder in Harmonie aufzulösen hatten. Fast täglich gingen sie miteinander spazieren, und Clara schreibt, sie werde in der Ehe immer »feuriger«. Nicht zuletzt die Kinder, die sie teils im Abstand von anderthalb Jahren oder weniger gebar – Marie, Elise, Julie, Emil, Ludwig, Ferdinand, Eugenie und Felix –, sind ein Hinweis auf die große wechselseitige Anziehung. Der Nachwuchs war nicht nur Grund zur Freude, sondern auch eine Belastung; mindestens ein Schwangerschaftsabbruch wird vermutet.
Schon in der Verlobungszeit hatte Clara befürchtet, dass ihre Karriere durch die Ehe gehemmt werden würde. Robert wusste das; in seinem Liederzyklus Frauenliebe und ‑leben, dessen Text die Frauenseele bisweilen allzu unterwürfig schildert, liefert seine Musik streckenweise einen fast ironischen Kommentar. Die größte Herausforderung dieser Ehe bestand darin, dass die Lebensentwürfe eines hochempfindsamen Komponisten und einer hochbegabten Pianistin schwer zusammenzubringen waren mit den bürgerlichen Vorstellungen von Familienglück, die beide selbst hegten. Er sah als ihre Hauptaufgabe die Mutterschaft, und um ihren Mann nicht zu stören, musste sie ihre Übezeit auf die Stunden beschränken, in denen er nicht im Hause war.
1844 unternahm Clara in Roberts Begleitung nach langer Pause wieder eine Tournee, bis nach St. Petersburg und Moskau. Sie wurde gefeiert, während er bloß als ihr Anhängsel galt und trübsinnig wurde. Nach der Heimreise erlitt er einen nervösen Zusammenbruch, wohl eine Mischung aus erblicher Belastung (es gab viele Fälle von Depressionen in seiner Familie) und Auswirkungen der alten Syphilis-Infektion.
Als man ihn bei der Nachfolge Felix Mendelssohns als Gewandhauskapellmeister überging, zog die Familie nach Dresden. Auch seine Oper Genoveva blieb ohne dauernden Erfolg. Schumanns Berufung zum städtischen Musikdirektor in Düsseldorf ließ ihn noch einmal aufleben, doch die Erkrankung forderte ihren Zoll: Von 1852 an hatte er Probleme mit dem Sprechen, er litt unter Halluzinationen und Anfällen. Mitglieder des Musikvereins forderten seinen Rücktritt, während Clara unverdrossen zu ihm hielt.
Immer noch muss sie gehofft haben, dass seine Wesensveränderung vorübergehend sei. Aber es war längst zu spät. Robert, der das ahnte, wollte sich in eine Klinik einweisen lassen, eine depressive Attacke kam ihm zuvor. Im Karneval 1854 stürzte er sich von der Schiffbrücke in den Rhein, wurde jedoch aus dem eiskalten Wasser gerettet. Seine letzten beiden Lebensjahre verbrachte er in einer Nervenheilanstalt bei Bonn.
Um die Familie zu ernähren, musste Clara nun wieder Konzerte geben und knüpfte erfolgreich an ihre frühere Karriere an. Man hielt sie davon ab, ihren Mann zu besuchen; zu beider Schutz, wie man meinte. Erst als er dem Tode nahe war, wurde sie zum vom geistigen und körperlichen Verfall gezeichneten Robert geholt; dass er sie noch erkannte, sie noch einmal zu umarmen versuchte, davon war sie überzeugt. Zwei Tage später starb er. Sie überlebte ihn um fast vierzig Jahre.
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