Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte 1914 verheerende Auswirkungen auf das Musikleben in Deutschland. Die großen Orchester in München, Köln, Dresden, Bonn und Königsberg mussten ihren Konzertbetrieb ganz einstellen oder zumindest drastisch reduzieren. Die Berliner Philharmoniker blieben jedoch weitgehend unbeeinträchtigt von den sozialen und militärischen Unruhen. Das Orchester konnte seinen Betrieb nicht nur aufrechterhalten, sondern die Zahl seiner Konzerte sogar steigern und die deutschen Kriegsanstrengungen mit politischen, diplomatischen, finanziellen, sozialen und wohltätigen Mitteln unterstützen.
Von August 1914 bis November 1918 gaben die Berliner Philharmoniker insgesamt 631 Konzerte, die meisten davon in Berlin. Die anspruchsvollen Abonnement-, Symphonie- und Solistenkonzerte hatten ihre Heimat in der Philharmonie in der Bernburger Straße, während die Volkskonzerte mit leichterer Musik an verschiedenen Orten der Stadt stattfanden – etwa im Theater der Volksbühne am Bülowplatz, in der Neuen Philharmonie in der Köpenicker Straße, im Stadttheater Moabit oder den Germania-Prachtsälen in der Chausseestraße.
Mindestens 102 dieser Konzerte waren Wohltätigkeitskonzerte und brachten rund 2,5 Millionen Mark ein, mit denen arbeitslose Musiker und Künstler, die Familien von Kriegsversehrten, Witwen und Waisen gefallener Soldaten, die Kriegskinderfürsorge, Feldlazarette, der Kriegshilfsfonds, die aus Belgien ausgewiesenen Deutschen sowie humanitäre Organisationen in Österreich und Bulgarien ebenso unterstützt wurden wie verschiedene Regimenter, das Armeekorps, die Marine und die Ostarmee. Um die Spendensumme weiter aufzustocken, reduzierten die Orchestermusiker ihre monatlichen Gehälter um 40 Mark, und Dirigent Camillo Hildebrandt erhielt statt 9.000 nur 6.000 Mark pro Saison.
Neben den zahlreichen Auftritten in ihrer Heimatstadt unternahmen die Berliner Philharmoniker auch regelmäßig Tourneen in andere Gegenden des Deutschen Reiches, mit Konzerten in Städten wie Hamburg, Dresden, Frankfurt/Main, Mannheim, Hannover, Köln, Jena, Magdeburg, Stettin, Breslau, Görlitz und Kattowitz (dem heutigen Katowice). Darüber hinaus reiste das Orchester auch dreimal ins Ausland, gewissermaßen zur Unterstützung der deutschen Außenpolitik. Mit einem Konzert im besetzten Brüssel versuchte man 1915, die deutsche Besatzung auf die Kultur auszudehnen und Belgien auch moralisch zu unterwerfen.
Zwei Jahre später wollte man mit Auftritten der Berliner Philharmoniker in Kopenhagen, Stockholm, Göteborg und Malmö um die Unterstützung der skandinavischen Länder werben und zeigen, dass Deutschland zu einem Austausch auf der Ebene der Hochkultur bereit war. Und 1918, auf dem absoluten Tiefpunkt des Krieges aus Sicht der Mittelmächte, reisten die Berliner Philharmoniker zu Propagandazwecken nach Wien, um mit einem Konzert im Musikverein die enge Beziehung Deutschlands zu Österreich-Ungarn ebenso zu unterstreichen wie die wechselseitige Wertschätzung und kulturelle Überlegenheit der beiden Kaiserreiche. Außer in Belgien stand bei diesen Konzerten immer Arthur Nikisch am Pult, der unbeugsame Chefdirigent des Orchesters, der es als seine Aufgabe ansah, »durch die Kunst die Brücke zu schlagen zur gegenseitigen Verständigung, zur Versöhnung der Völker«.
In den Kriegsjahren konzentrierten sich die Berliner Philharmoniker auf das deutsch-österreichische Repertoire und spielten nur selten Werke französischer, italienischer und russischer Komponisten; lediglich Tschaikowsky behielt seinen festen Platz in den Konzertprogrammen. Daneben dominierten Werke von J. S. Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Mendelssohn, Weber, Schumann, Liszt, Brahms, Wagner und Richard Strauss.
Die nationalistische und patriotische Ausrichtung des Orchesters brachte es mit sich, dass diese Komponisten von 1914 bis 1918 am häufigsten gespielt wurden, wobei die folgenden Werke besonders beliebt waren und in jeder Saison häufig auf dem Programm standen: sämtliche Symphonien, Solokonzerte und Ouvertüren von Beethoven; Auszüge aus Wagners Meistersingern, Tannhäuser, Lohengrin und Walküre; die Erste und Vierte Symphonie von Brahms sowie sein Violinkonzert und das Deutsche Requiem; Auszüge aus Webers Freischütz und Euryanthe; Schuberts »Unvollendete«; Mendelssohns Violinkonzert; Don Juan von Richard Strauss; Les Préludes und das Erste Klavierkonzert von Liszt; Auszüge aus Mozarts Figaro und Zauberflöte.
Die kriegführenden Nationen hatten diverse Reisebeschränkungen verfügt, so dass ausländische Dirigenten und Solisten zunehmend Probleme hatten, für Auftritte ins Deutsche Reich zu kommen. Immer öfter standen darum Arthur Nikisch und Camillo Hildebrandt am Pult und dirigierten insgesamt 330 der oben genannten Konzerte. Auch die fünf Konzertmeister des Orchesters Julius Thornberg, Licco Amar, Géza von Kresz, Louis Persinger und Franz Veit übernahmen diverse Soloverpflichtungen, spielten insgesamt 135 Konzerte. Musiker, die nicht aus Deutschland oder Österreich-Ungarn stammten, verschwanden weitgehend aus dem Berliner Musikleben und kehrten erst nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes in die deutsche Hauptstadt zurück.
Die meisten deutschen Orchester litten in den Kriegsjahren darunter, dass viele ihrer Mitglieder zum Wehrdienst eingezogen wurden, doch die Berliner Philharmoniker blieben von diesem Problem weitgehend verschont. Die Mehrheit der Musiker im wehrfähigen Alter, darunter vor allem die Konzertmeister und Stimmführer, wurden überhaupt nicht einberufen, und wenn doch, dann mussten sie in der Regel nur halb so lange an der Front bleiben wie andere Soldaten. Trotzdem verloren zwei Mitglieder der Berliner Philharmoniker ihr Leben im Krieg: der Cellist Alfred Michaelis starb in britischer Gefangenschaft, nachdem er zuvor einen Arm verloren hatte, und der Fagottist Fritz Schweinitz galt als vermisst; zudem erlitten die Geiger Willy Bufé und Alwin Kappelsberger so schwere Verletzungen, dass sie nicht länger im Orchester spielen konnten.
Trotz dieser vier tragischen Einzelschicksale versahen die Berliner Philharmoniker unverzagt ihren Dienst auf dem Konzertpodium, wobei nur vier ihrer Konzerte während des Ersten Weltkrieges nicht ausverkauft waren und sie in dieser Zeit vor insgesamt rund 1,8 Millionen Zuhörern in ganz Deutschland spielten. Das Orchester bot seinem Publikum die Möglichkeit, sich auf höchstem Niveau an deutscher Musik zu erfreuen und als Teil einer nationalen Gemeinschaft zu fühlen. Mit patriotischen Festkonzerten stärkte es Heimatliebe und Moral der Zivilbevölkerung und sorgte für Einigkeit an der Heimatfront, während seine Gedenk- und Trauerkonzerte den Deutschen ein Ventil boten, um Trost, Schmerz und Verklärung in einem emotionalen Umfeld zu erleben, in dem niemand für sich alleine leiden musste.
Nach Kriegsende hatte Deutschland wesentlich länger mit den Folgen dieses brutalen Weltkrieges zu kämpfen, als man zunächst erwartet hatte. Die Revolutionsjahre 1918/19, der Spartakusaufstand, die Weltwirtschaftskrise und die Spanische Grippe verwandelten das Land endgültig in eine Trümmerlandschaft, und an die Stelle der konstitutionellen Monarchie des Kaiserreichs trat die parlamentarische Demokratie der Weimarer Republik. Ungeachtet all dieser Probleme setzten die Berliner Philharmoniker ihre intensive Konzerttätigkeit fort, gaben mehr als 120 Konzerte pro Saison, unternahmen ausgedehnte Tourneen durchs ganze Land und engagierten sich für eine Vielzahl wohltätiger Zwecke. Die Unbeirrbarkeit und das Durchhaltevermögen, mit denen sich das Orchester darum bemühte, Deutschland in dunklen und schweren Zeiten beizustehen, trugen entscheidend dazu bei, die Rolle der Berliner Philharmoniker im sozialen, kulturellen und politischen Leben des Landes auch für die kommenden Jahre zu festigen.