Als die Berliner Philharmoniker zum ersten Mal ein Werk von Erich Wolfgang Korngold aufführten, war er noch ein Teenager. Vor allem als Opernkomponist legte der jüdische Komponist eine steile Karriere in Europa hin. Diese nahm ein jähes Ende, als das NS-Regime die Macht erlangte. Doch der Aufstieg von Korngold war noch nicht zu Ende …
Was für ein Start! Erich Wolfgang Korngold war gerade 15 Jahre jung, als die Berliner Philharmoniker im Dezember 1912 unter Leitung ihres gefeierten Chefdirigenten Arthur Nikisch seine Schauspiel-Ouvertüre op. 4 aufführten. Der junge Komponist aus Wien galt als Wunderkind. Er hatte bereits eine Reihe von Klavierwerken, ein Trio und eine Ballettpantomime geschrieben, die an der Wiener Hofoper aufgeführt worden war.
Nun also erklang sein erstes größeres Orchesterwerk bei den Berliner Philharmonikern. Auch wenn der Kritiker, der in der Börsenzeitung von dem Ereignis berichtete, sich zu der Überlegung hinreißen ließ, ob nicht der Vater, der einflussreiche Musikkritiker und –pädagoge Julius Korngold, bei der Instrumentierung mitgeholfen habe, lobte er das Werk überschwänglich: »Es steckt Schwung und Fantasie in dem Tonstück, das in geschickter kontrapunktischer Verarbeitung eine Mischung von zart lyrischen und frisch bewegten, heiteren Themen in sich schließt.« Auch das Publikum war begeistert – wie der tosende Applaus nach der Darbietung bewies.
Fünf Jahre später war der 20-jährige Korngold bereits ein gefeierter Opernkomponist. Während im Oktober 1917 die Königliche Hofoper Unter den Linden gleich zwei Opern von ihm aufführte, trat der Komponist in einem philharmonischen Konzert persönlich auf – als Klavierbegleiter der Sopranistin Lotte Lehmann, die Lieder von ihm vortrug.
In den 1920er-Jahren gehörte Korngold zu den meistgespielten Opernkomponisten der Zeit und seine Orchesterwerke finden sich regelmäßig in den Programmen der Berliner Philharmoniker: die Schauspiel-Ouvertüre, die Sinfonietta H-Dur oder die Suite aus der Oper Viel Lärm um nichts waren Repertoirestücke des Orchesters. Zweimal stand Korngold auch als Dirigent am Pult der Philharmoniker: im März 1923, wo er ein Programm mit eigenen Werken dirigierte, und im Januar 1932, wo er bei einem Benefizkonzert für das Kroll Theater mitwirkte.
Doch danach verschwand Korngold und sein Werk vollkommen vom Spielplan der Philharmoniker. Für den aus einer jüdischen Familie stammenden Korngold wurde es nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland und Österreich immer schwieriger, gleichzeitig entdeckte ihn die Filmindustrie in Hollywood Anfang der 1930er-Jahre als Filmkomponist und holte ihn in die USA. Nach dem »Anschluss« Österreichs an Nazi-Deutschland entschied er in den USA zu bleiben – und wurde einer der wichtigsten Filmkomponisten Hollywoods. Seine Art, einen Film musikalisch zu auszustatten, prägt noch heute den Stil der Filmmusik. In Europa hingegen konnte er nach dem Krieg nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen, sein klangprächtiger, spätromantischer Stil galt als antiquiert. Korngold starb 1957 im Alter von 60 Jahren in Los Angeles.
Im November 2002, 70 Jahre nach Korngolds letztem Auftritt bei den Berliner Philharmonikern, erklang eines seiner Werke erstmals wieder in einem philharmonischen Konzert: Unter der Leitung von Bernard Haitink spielte Renaud Capuçon das 1945 entstandene Violinkonzert. Es folgten weitere Aufführungen des Stücks mit Gustavo Dudamel und Leonidas Kavakos (2012) sowie mit Zubin Mehta und Gil Shaham (2015). Sir Simon Rattle präsentierte zudem beim Waldbühnenkonzert 2015 Ausschnitte aus Korngolds Filmmusik. Kirill Petrenko ist es ein Anliegen, die Musik einst gefeierter jüdischer Komponisten, die aufgrund ihrer Verfolgung in der NS-Zeit in Vergessenheit gerieten, wieder auf den Spielplan zu bringen. So hatten die Berliner Philharmoniker schon bei der ersten USA-Tournee mit ihrem neuen Chefdirigenten 2022 bereits ein Werk von Korngold im Reisegepäck. Und auch auf der diesjährigen Tournee in die USA steht Korngold auf dem Programm: Gemeinsam mit Hillary Hahn präsentiert das Orchester Korngolds Violinkonzert.
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Sein zweieinhalbjähriger Aufenthalts in den USA war eine ambivalente Zeit für Antonín Dvořák – geprägt von Triumphen, von Begeisterung über neue Eindrücke, aber auch von Sehnsucht nach der böhmischen Heimat.