Autor*in: Christoph Vratz
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Joana Mallwitz | Bild: Simon Pauly

Sie möchte »das Publikum von der ersten Note an mitnehmen«, wenn sie auf dem Podium steht, sagt Joana Mallwitz. Mit dieser Haltung ist ihr bereits eine glänzende Karriere gelungen. Nun gibt die 38-Jährige ihr Debüt bei den Berliner Philharmonikern. 

Der Komponist Kurt Weill beginnt seine Erste Symphonie mit einer Reihe von Akkorden. Keiner gleicht dem anderen. Jeder verlangt nach einer anderen Färbung, ob schmerzlich und schön, ob aggressiv und provokativ. Die Dirigentin Joana Mallwitz hat mit dem Berliner Konzerthausorchester Weills symphonischen Erstling aufgenommen und formt seinen so diffizilen Beginn plastisch und mit größter Umsicht. 

Für das künstlerische Selbstverständnis von Joana Mallwitz könnte dieses Entree stellvertretend sein: konsequent und detailgenau einerseits, sinnlich und farbintensiv andererseits. Wenn sie vor einem Orchester steht, hat man das Gefühl großer Unmittelbarkeit. Keine Inszenierung, keine Außendarstellung, sondern ein tiefes Sich-Versenken in die Kunst des Augenblicks. 

Eine künstlerische Kommunikatorin

Seit Sommer 2023 ist Joana Mallwitz in der Hauptstadt Chefin des Konzerthausorchesters. Die Dichte der Berliner Klangkörper ist für sie kein Haifischbecken, vielmehr »eine Herausforderung« und zugleich »eine riesige Inspirationsquelle« – mit dem möglichen Effekt, »dass die Menschen einen noch größeren Durst« nach Kunst, nach Musik, nach Kultur entwickeln. Sie selbst sieht sich dabei als künstlerische Kommunikatorin, die ein Publikum gewinnen und es zur Treue animieren möchte. Doch sie weiß auch, wie schnell in ihrem Beruf Lorbeeren welken können: »Man muss sich immer neu beweisen.«

Mallwitz, im niedersächsischen Hildesheim geboren, kommt mit 13 Jahren in eine der Hochbegabtenklassen der Musikhochschule Hannover. Sechs Jahre später bereits folgt das erste Engagement: Solo-Repetitorin mit Dirigierverpflichtung am Theater Heidelberg. Über Erfurt gelangt sie nach Nürnberg, an dessen Staatstheater sie fünf Jahre lang als Generalmusikdirektorin arbeitet, bevor sie nach Berlin und damit erstmals zu einem reinen Konzertorchester wechselt. 

Wenn in jüngster Zeit irgendwo ein namhafter Dirigentenposten vakant ist, dauert es meist nicht lange, bis ihr Name zumindest gerüchteweise auftaucht. Die Zahl der Anfragen überschreitet ohnehin längst die Möglichkeiten ihres Kalenders.

»Vorbereitung und Authentizität«

Doch für hochfliegende Träume ist Mallwitz nicht zu haben, zumal in ihrem Denken ein zur Schau getragenes Ego keinen Platz findet. Vielmehr ist es ihre freundliche und zugleich sachliche Art, mit der sie punkten kann, beim Publikum ebenso wie in der buntgefächerten Musikwelt. »Die Autorität, die man braucht, kommt nicht durch autoritäres Verhalten, sondern einzig und allein durch Vorbereitung und Authentizität.« Ihr Auftreten ist nie laut, aber geprägt von Ausstrahlung und innerer Überzeugung. Sie weiß, was sie möchte und wie sie ihre Ziele realisieren kann.

Ihre Arbeit mit einem neuen Orchester hat sie vor Kurzem in einem Interview umschrieben: »Das Dirigieren ist eine der schnellsten und komplexesten Arten, wie man kommunizieren kann.« In Windeseile fliegen zwischen vielen Menschen »Impulse hin und her. Daher gilt eigentlich jedes Mal, wenn man zu einem neuen Orchester kommt, dass man sich auf eine gewisse Art sehr schnell recht nah kennenlernt.« 

Debüt bei den Berliner Philharmonikern

Wenn sie sich für die Zusammenarbeit mit einem Orchester entscheidet, dann nur, wenn die Konstellationen »wirklich passen und künstlerisch produktiv sind«. Joanna Mallwitz sucht nicht nach verheißungsvoll summenden Eintagsfliegen. Erfolg bemisst sie lieber daran, ob sie nach einem ersten Mal noch ein zweites oder gar drittes Mal angefragt wird. Jetzt wird sie erstmals vor die Berliner Philharmoniker treten.

Mallwitz gesteht, sie würde sich gern länger an einzelne Orte, an ein städtisches Orchester oder ein Opernhaus binden, um die Identifikation mit dem Publikum zu stärken. Doch sie weiß auch, dass man sich dafür immer wieder aus der eigenen Komfortzone herauswagen muss, »manchmal einfach auch neu denken, sich trauen, ins Gespräch zu kommen, neue Sachen auszuprobieren.« Kontinuität und Wandel als Yin und Yang …