Autor*in: Oliver Hilmes
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Kotowa Machida | Bild: Thomas Meyer/Ostkreuz

Zu den ersten Worten, die ein Kind in Japan lernt, gehört wahrscheinlich Itadakimasu (頂きます). Wörtlich übersetzt bedeutet es »Ich werde es demütig akzeptieren«, aber es hat vor allem eine tiefergehende Bedeutung, und zwar als Ausdruck der Anerkennung vor den Mahlzeiten. Mit Itadakimasu dankt man allen, die an der Zubereitung des Essens beteiligt waren – von den Bauern und Fischern bis hin zu den Köchen. Während ich über diese schöne Wertschätzung unserer Nahrung nachdenke, bemerke ich, wie der Duft von Schweinekrustenbraten durch die Kantine der Philharmonie weht. Nicht gerade die beste Voraussetzung, um über japanisches Essen zu sprechen. 

Kotowa Machida wurde in Tokyo geboren. Nach einer Ausbildung in ihrer Heimatstadt führte sie ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) nach Frankfurt am Main zu der legendären Geigerin und Pädagogin Edith Peinemann. Die Ankunft in der Mainmetropole muss für die 23-Jährige ein kulinarischer Schock gewesen sein: Sauerteigbrot, Schwarzbrot, Handkäs mit Musik und nicht zu vergessen der wegen seines Kalorienreichtums berüchtigte Frankfurter Kranz – das alles war ihr unbekannt und lag ihr schwer im Magen. Doch zum Glück gab es damals in Frankfurt eine kleine japanische Kolonie mit ein paar Feinkostgeschäften, in denen man sich mit asiatischen Lebensmitteln eindecken konnte. Nach dem Studium war Kotowa Machida dann vier Jahre lang Konzertmeisterin der Württembergischen Philharmonie Reutlingen, bevor sie 1997 zu den Berliner Philharmonikern kam. 

Kochen hat für Kotowa Machida eine nahezu meditative Funktion. Wenn sie nach einem langen Probentag mit stundenlangem Geigespielen nach Hause kommt, kann sie beim Gemüseschneiden wunderbar entspannen. Das Klackern des Messers auf dem Schneidebrett gibt dabei den Rhythmus vor und im Nu lösen sich alle Verspannungen. »Japan ist ein langgestrecktes Land mit verschiedenen Klimazonen«, erläutert die Musikerin in der Mittagspause, »sodass sich die Küche regional sehr unterscheidet. Selbst die Sojasauce schmeckt im Süden anders als im Norden.« Kotowa Machida liebt besonders die einfache japanische Küche: Miso-Suppe mit frittiertem Tofu und viel Gemüse, Gomoku-Sushi, bei dem Zutaten wie Gemüse und Meeresfrüchte auf oder in den Sushi-Reis gestreut werden, oder Karē Raisu – japanischer Curryreis –, der traditionell mit Fleisch, Kartoffeln, Möhren und Zwiebeln serviert wird. 

An Kaiseki – die »Haute Cuisine« der japanischen Küche – hat sich Kotowa Machida bislang noch nicht herangetraut. »Die aufwendig angerichteten Speisen werden an den Jahreszeiten ausgerichtet und sorgfältig aufeinander abgestimmt«, so Kotowa Machida. »Selbst das Geschirr muss thematisch damit harmonieren.« Gibt es etwas, das sie an der japanischen Küche partout nicht mag? Für Goya Champuru – Bittergurke – kann sie sich ebenso wenig erwärmen, wie für die Osaka-Küche mit ihren vielen Innereien. 

Hat sie mittlerweile ihren Frieden mit der deutschen Küche gemacht? »Oh ja«, antwortet Kotowa Machida lächelnd. Ihr Mann sei Deutscher und ab und zu koche sie deutsche Gerichte, doch dazu benötige sie immer ein Kochbuch. Dann ertönt der Gong, die Pause ist beendet und Kotowa Machida kehrt zur Probe zurück. Und während ich diesen Text schreibe, denke ich mir, dass man viel häufiger Itadakimasu sagen sollte.