Autor*in: Nicole Restle
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Loriot sitzt auf einem alten grünen Sofa
Vicco von Bülow, alias Loriot | Bild: Alamy Stock Foto

Am 12. November wäre Vicco von Bülow, alias Loriot, 100 Jahre alt geworden. Zu den Berliner Philharmonikern hatte er eine ganz besondere Beziehung. Nicht nur weil er selbst ein großer Musikfan war, sondern auch durch Auftritte in der Philharmonie, bei denen er sogar selbst das Orchester dirigierte.

»Im nächsten Leben werde ich Musikant«, meinte Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow. Und das, obwohl ihm dieses Leben den wunderbaren Beruf des Karikaturisten und Humoristen beschert hatte. Unter seinem Künstlernamen Loriot feierte und liebte ihn das Publikum, es lachte über Jodeldiplome und harte Frühstückseier und übernahm unzählige Zitate seiner Sketche in die Alltagssprache: »Sagen Sie jetzt nichts, Hildegard!«

Warum möchte jemand, der in seinem Metier solche Erfolge hatte, im nächsten Leben Musikant werden? Weil er eine Art Musikjunkie war. Zeichnen ohne Musik – so Loriot in einem Interview – ginge gar nicht. Bis zu acht Stunden war seine Stereoanlage täglich im Einsatz, weil Musikhören seine kreativen Kräfte befeuerte. Diese Musikbegeisterung lag in der Familie. Nicht nur wegen der entfernten Verwandtschaft zu Hans von Bülow, dem ersten Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker, sondern weil die klavierspielende Großmutter und der Platten sammelnde Vater ihn von Kindheit an auf Musik einschworen. Das machte Loriot für die Berliner Philharmoniker zum idealen Partner in besonderen Angelegenheiten. 1979 lud ihn das Orchester ein, ein »Kanzlerfest« für Helmut Schmidt mitzugestalten.

Sketch: Der »Heimdirigent« von Loriot

Sketch: Der »Heimdirigent« von Loriot | Video: rbb media

Auftritt beim »Kanzlerfest«

Loriots Idee, als eine Fliege jagender Klaviertransporteur aufs Konzertpodium zu klettern und versehentlich die Berliner Philharmoniker zu »dirigieren«, sorgte beim überraschten Publikum für schallendes Gelächter. Den Auftritt hatte er minutiös und detailliert zu Hause mit einer Musikkassette vorbereitet. Loriots Regieassistent Stefan Lukschy erinnerte sich später an die erste Probe so: »Loriot hob den Arm und die Philharmoniker setzten mit dem Anfangsakkord der Coriolan-Ouvertüre ein. Der darauffolgende Tutti-Schlag aber ließ auf sich warten. Die Musiker hielten den Akkord so lange, bis Loriot abwinkte und leicht irritiert fragte, wann denn endlich das Rumms käme, so wie er es von seiner Kassette gewohnt war. ›Der kommt, wenn Sie ihn dirigieren‹, sagte der Konzertmeister Michel Schwalbé. Loriot war höchst erstaunt: ›Sie spielen tatsächlich so, wie ich dirigiere?‹«

Husten-Symphonie

Anlässlich des 100. Geburtstags des Orchesters 1982 präsentierte sich Vicco von Bülow im Rahmen einer Revue gleich in drei verschiedenen Rollen: als Kulturdezernent, der mit skurrilen Worthülsen jongliert und die Namen der philharmonischen Chefdirigenten durcheinanderbringt, als zur Schallplatte dirigierender Wohnzimmer-Toscanini und als Generalmusikdirektor, der unvermeidliche Störgeräusche des Publikums – Husten, Niesen, Bonbonpapierrascheln – in die Aufführung integriert. »An dieser Szene haben wir sehr lang geprobt«, erinnert sich Peter Riegelbauer, der damals gerade als junger Kontrabassist ins Orchester gekommen war. Präzision und Perfektion zeichnete Loriots Arbeitsweise aus und trugen maßgeblich zu seinem Erfolg bei.

Loriot auf dem Dirigentenpult vor den Berliner Philharmoniker mit erhobener Hand
Loriot als Fliegen fangender Klaviertransporteur | Bild: Reinhard Friedrich

»Karneval der Tiere«

Die Auftritte beim Kanzlerfest und der philharmonischen Revue zählten für Loriot, den das Orchester 1993 mit der Bülow-Medaille ehrte, nach eigener Aussage zu den Höhepunkten seines Lebens. Auch wenn keine weiteren gemeinsamen Projekte folgten, blieb er den Berliner Philharmonikern verbunden: über das aus Musikerinnen und Musikern des Orchesters bestehende Scharoun Ensemble. Dieses hat über vierzigmal Camille Saint-Saëns’ Karneval der Tiere aufgeführt – mit Loriot als Sprecher, der für die einzelnen Musiknummern hintersinnige Texten verfasst hatte.

Wie viele andere war auch Peter Riegelbauer, der Mitbegründer des Scharoun Ensembles, von der Persönlichkeit Loriots beeindruckt, von seiner Kultiviertheit und seinem Humor, der sich auch in Alltagssituationen zeigte. Darüber hinaus erlebte er ihn aber auch als »nachdenklichen, ernsten Künstler« und einen, »der den Menschen auf liebevolle Weise zugewandt« war.