Autor*in: Oliver Hilmes
ca. 3 Minuten

Matthew McDonald | Bild: Paula Winkler / Ostkreuz

In dieser Rubrik stellen wir Berliner Philharmoniker und ihre außermusikalischen Leidenschaften vor. Heute: Kontrabassist Matthew McDonald, der die Poesie nicht nur in der Musik liebt.

Wilhelm Busch ist immer für ein Bonmot gut: »Wie wohl ist dem, der dann und wann // sich etwas Schönes dichten kann!« Folglich sind Poeten also recht zufrieden und erfüllt. Und genau das wird der Protagonist dieses Porträts sicher bestätigen.

»Bevor ich mit dem Kontrabass anfing, wollte ich Dichter oder Schriftsteller werden«, sagt Matthew McDonald zu Beginn unseres Gesprächs. Wir sitzen im Kontrabasszimmer der Philharmonie Berlin, vor ein paar Minuten wurde die Vormittagsprobe der Berliner Philharmoniker beendet. Von klein auf habe er jeden Tag Gedichte geschrieben, fährt er fort, und zunächst habe er auch mit dem Gedanken gespielt, Literatur zu studieren. Doch dann kam irgendwann der Bass in sein Leben und schnell verliebte sich Matthew McDonald in den weichen dunklen Ton des großen Instruments. 1996 begann der gebürtige Australier sein Studium an der Canberra School of Music, setzte es später in Sydney fort und schloss es mit dem Bachelor of Music dort ab. Von 2000 bis 2001 war er Stipendiat der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker. Es folgten erste Engagements, ehe er 2009 als Solokontrabassist zu den Berliner Philharmonikern kam. Doch die Liebe zur Poesie blieb.

Was das Faszinierende an der Poesie sei, frage ich meinen Gesprächspartner. Matthew McDonald muss nicht lange überlegen. »Es reizt mich sehr, dass Gedichte immer offen für viele unterschiedliche Interpretationen sind.« Anders als etwa in einem Roman seien in der Poesie das Handlungsgerüst und die dramaturgische Entwicklung der Figuren nicht wirklich wichtig. »Es geht oft mehr um den ›Klang‹ und die ›Farbe‹ der Sprache«, führt er aus. »Manchmal wirkt ein Gedicht unverständlich – und ist trotzdem in der Lage, eine enorme Kraft zu entfalten.«

Ob es Parallelen zwischen Musik und Poesie gibt? Matthew McDonald nickt. »Die Gewohnheit, Wörter nach ihrem Klang und Rhythmus zu ordnen, hilft mir immer sehr, Tonalität, Artikulation, Harmonie und so weiter zu verstehen. Ich denke zum Beispiel oft an die abrupten Wechsel in Sibelius' 4. Symphonie, die der Fragmentierung in der Poesie des 20. und 21. Jahrhunderts ähneln.« Seinen Studentinnen und Studenten rät er sogar, sich beim Spielen der Musik einen Text vorzustellen. »Das verleiht einer Phrase oft eine Nuance und ein Timing, die alles natürlicher klingen lassen.«

Im vergangenen Jahr hat sich Matthew McDonald einen Traum erfüllt und das Online-Literaturmagazin »berlin lit« gegründet, das vierteljährlich erscheint und sich als Journal für zeitgenössische Poesie versteht (berlinlit.com). Mittlerweile erhält er für jede Ausgabe 700 bis 800 Einsendungen, aus denen er rund 20 Gedichte auswählt und für die Veröffentlichung vorbereitet. Kommt er bei diesen zahlreichen Aktivitäten noch dazu, selbst zu schreiben? Und ob! An der britischen Open University hat er sogar »mit Auszeichnung« ein Masterstudium in »creative writing« absolviert, was erahnen lässt, wie sehr er für die Literatur brennt.

Würde es ihn reizen, einmal einen Roman zu verfassen, möchte ich zu guter Letzt wissen. »Mein Roman war weit fortgeschritten«, erwidert Matthew McDonald lächelnd. »Doch dann habe ich vor vielen Jahren das handschriftliche Manuskript von rund 200 Seiten versehentlich in einem Bus liegenlassen. Vielleicht war das ein Wink des Schicksals, dass mir die Poesie mehr liegt.«