»Kleines Glühwürmchen, grell beleuchtet und erschrocken von unerträglicher Schönheit«: So lautet auf Deutsch der Titel des Orchesterstücks von Milica Djordjević, das im Auftrag der Berliner Philharmoniker entstanden ist.
2007 hat die Komponistin schon einmal ein Werk über einen Leuchtkäfer geschrieben: Svitac u tegli, »Glühwürmchen in einem Einmachglas«. »Das neue Stück ist wie ein Bild aus einem Album, aus den Memoiren eines Glühwürmchens«, so Milica Djordjević. Es geht darin um die Erinnerung an einen wahrhaft existenziellen Moment – »an diesen Wirbel aus Schönheit, Träumen, Hoffnung, Kampf«, wie sie es formuliert. So entstehe »ein Geflimmer, in dem majestätische Schönheit und Brutalität enthalten sind«.
Milica Djordjević kam 1984 in Belgrad zur Welt. Die Kindheit endete für sie schon vor dem siebten Geburtstag, als die Jugoslawienkriege begannen, die fast ein Jahrzehnt andauern sollten. Dennoch schmiedet die junge Milica Zukunftspläne, will Malerin werden, Physikerin, Theaterregisseurin. Zum Klavierunterricht in der Musikschule meldet sie sich an, ohne die Eltern zu fragen.
Mit 17 Jahren beginnt sie ein Kompositionsstudium in Belgrad, geht dann nach Straßburg und ans Pariser IRCAM, bevor sie 2013 in Berlin an der Hochschule für Musik Hanns Eisler ihren Abschuss macht.
2015 gewinnt sie den Belmont-Preis, 2016 den Förderpreis Komposition der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung, 2020 den Claudio-Abbado-Kompositionspreis der Berliner Philharmoniker.
Über deren Auftrag zu einem kurzen Stück zum 60. Geburtstag der Philharmonie sagt sie: »Die Herausforderung, ein Stück unter fünf Minuten zu schreiben, war ziemlich spannend, vor allem, wenn man wie ich in langen Gesten, großen Flächen und Entwicklungsprozessen denkt.«
Licht ist in Milica Djordjevics Werk ein wichtiges Thema: Biolumineszenz, Sterne, Lichtreflexionen auf Metallen – all das wird bei ihr zu Musik. Die Glühwürmchen, erklärt sie, seien vom Aussterben bedroht, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. »Sie sind eine meiner ewigen Beschäftigungen, nicht nur als Lebewesen, deren leuchtende Rhythmen im Gras die Sommer meiner Kindheit prägten, sondern auch als Metapher.«
Das neue »Glühwürmchen«-Werk ist in ihren Worten »komprimiert, verdichtet, aufgeladen mit Emotionen, die ich mit unterschiedlichen Zeiten in Belgrad und Berlin verbinde«. Das Stück für großes Orchester fordert eine dreifache Bläser-Besetzung und beginnt mit einer zarten, fragilen Textur aus hohen Flageolett-Tönen und sich aufladendem Schlagzeug. Dann steigert es sich, um schließlich in einer brüllenden, blendenden Explosion zu enden.