Die Freimaurerei verband im 18. Jahrhundert mysteriöse Riten mit den Idealen der Aufklärung. Wolfgang Amadeus Mozart war Mitglied dieses geheimnisumwitterten Bundes, was immer wieder in seinen Werken durchscheint – in der Zauberflöte ebenso wie in seiner Musik zum Schauspiel Thamos, König in Ägypten.
Im Sommer 1773 reisten Vater und Sohn Mozart nach Wien und besuchten dort einen gefeierten Arzt. Franz Anton Mesmer residierte in einer Villa mit Park, sein offenes Haus galt als Attraktion. Ein Bürgerlicher mit so großem Reichtum! Wie war das möglich, fragten sich viele Zeitgenossen – weil er Freimaurer war? Jedenfalls trafen die Mozarts bei Mesmer auch auf den Schauspieldirektor Heufeld, einem weiteren Freimaurer. Es ist nicht klar, ob Heufeld im Gespräch das Interesse auf Geblers Drama Thamos, König von Ägypten lenkte. Jedenfalls begann Mozart Sohn wenige Zeit später, zwei Chöre für Thamos zu komponieren …
Wahrscheinlich im Jahr zuvor, 1772, schrieb der 16-jährige Wolfgang Amadeus Mozart einen Lobgesang auf die feierliche Johannisloge KV 148 für Tenor, Männerchor und Klavier. Noch war Mozart nicht Logenmitglied, auch nicht sein Vater. Überliefert sind nur Melodie und Bassstimme: »O heiliges Band der Freundschaft treuer Brüder, / dem höchsten Glück und Edens Wonne gleich, / dem Glauben Freund doch nimmermehr zuwider, / der Welt bekannt und doch geheimnisreich.« Hier bereits zeigt sich ein Merkmal, das in einigen von Mozarts freimaurernahen Werken wiederkehren wird: Das letzte Wort hat der Chor.
Für Freunde der Aufklärung waren die Freimaurer, die im 18. Jahrhundert eine Blütezeit erlebten, ein idealer Zirkel. »Die Loge ist zwar eine Kult- und Symbolgemeinschaft, vor allem aber eine Gesinnungs- und Handlungsgemeinschaft von Klein- wie Großbürgern und Aristokraten«, schrieb die Mozart-Biografin Eva Gesine Baur. »Die Verbindungen dort bringen Vorteile für alle, die sonst bei Hof auf Protektion durch den Adel angewiesen sind.« Mozart senior, der umtriebige Geschäftsmann, erkannte, dass die Freimaurer über ein gutes Netzwerk verfügten, das ihm und seinem Sohn nicht nur ideell zum Vorteil gereichen konnte. Freimaurer saßen an vielen Schaltstellen: etwa als Solisten in der Hofkapelle von Mannheim, ebenso waren etliche Musiker des Concert spirituel, eines der besten Orchester Frankreichs, Logenbrüder.
Zur damaligen Zeit waren viele Gerüchte im Umlauf: Was machten die Freimaurer in ihren Sitzungen eigentlich? Beteten sie den Teufel an, planten sie eine Weltverschwörung? Wenig drang nach außen, es hieß immer nur, dass ihre Aktivitäten humanitären Zwecken dienten, stets dem Pfad der Wahrhaftigkeit und Brüderlichkeit folgten … Außerdem zählte Verschwiegenheit zu einem der Grundwerte des Bündnisses: »Sei standhaft, duldsam und verschwiegen«, singen die drei Knaben in Mozarts Zauberflöte. Und Sarastro mahnt: »In diesen heil’gen Mauern, wo Mensch den Menschen liebt, kann kein Verräter lauern.«
Elf Jahre nach dem Besuch im Hause Mesmer trat schließlich auch Wolfgang Amadeus Mozart den Freimaurern bei, am 14. Dezember 1784. Was letztlich den Ausschlag gegeben hat, bleibt bis heute ungeklärt: Fühlte er sich künstlerisch falsch wahrgenommen? War er auf der Suche nach neuen Freunden? Trieben ihn finanzielle Motive? Fest steht, dass im Wien Josephs II. das Freimaurertum florierte.
1784 wurde auch das Wiener Journal für Freymaurer gegründet, just zu einer Zeit, »da der bessere Theil der Menschheit bemüht ist, die Vernunft von der drückenden Bürde heiliger und profaner Vorurtheile zu befreyen«, wie es in der ersten Journal-Ausgabe hieß. Während sich in der Loge »Zur gekrönten Hoffnung« eher der Adel und in der Loge »Zum heiligen Joseph« das gewerbetreibende Bürgertum zusammenfand, war das Bildungsbürgertum in den Logen »Zur wahren Eintracht« und »Zur Wohltätigkeit« anzutreffen. Mozart gehörte zur letztgenannten, sie war erst ein Jahr zuvor, 1783, gegründet worden. Schaut man sich die Subskriptionslisten zu Mozarts Mittwochskonzerten vom März 1784 an, so finden sich darauf auffallend viele Namen von Freimaurerbrüdern. Man schien sich gegenseitig nicht nur zu kennen, sondern auch zu schätzen und zu unterstützen.
Nach seiner Aufnahme in die Loge komponierte Mozart eine Reihe von überwiegend anlassbezogenen Werken: das Lied zur Gesellenreise KV 468, zwei Lieder für Männerchor (KV 483, 484), die Kantate Die Maurerfreude KV 471 und die Maurerische Trauermusik KV 477. Vater Leopold wurde im Frühjahr 1785 zum »Gesellen« in der Wiener Loge »Zur wahren Eintracht« befördert. Die Wiener Freimaurerei wuchs nicht nur, sie wucherte. Joseph II. gebot dem Einhalt, indem er die Zahl der Logen begrenzte und die Mitgliedschaft mit Auflagen versah. So wurde Wolfgang Amadeus Mozart im Januar 1786 Mitglied in der Loge »Zur neugekrönten Hoffnung«, zu der sich mehrere kleine Logen zusammenschlossen.
Es gibt ein bekanntes Ölbild aus den späten 1780er-Jahren, das eine Wiener Freimaurerloge zeigt. Welche? Unklar. Möglicherweise handelt es sich nicht um ein Gemälde mit konkretem Vorbild, sondern vielmehr um eine Art Collage, um zentrale Merkmale des Logenlebens festzuhalten. Berühmt geworden ist das Bild auch, weil es am rechten Seitenrand einen Mann zeigt, der immer wieder als Wolfgang Amadeus Mozart identifiziert worden ist. Man sieht ihn angeregt im Gespräch mit seinem Nebenmann. Ob es sich hierbei um den Klarinettisten Anton Stadler oder um den Dichter Emanuel Schikaneder handelt, ist ungeklärt.
Mit Schikaneder jedenfalls verband Mozart die gemeinsame Arbeit an der Zauberflöte, die immer wieder und mit guten Gründen mit der Freimaurerei in Zusammenhang gebracht wird. Die unterschiedlichen Lesarten der Oper sind bis heute nicht ausgeschöpft. Natürlich reflektiert die Zauberflöte den Zeitgeist im Wien des späten 18. Jahrhunderts und spiegelt den Umbruch der gesellschaftlichen Strukturen und die Werte der Aufklärung wider. Natürlich enthält die Oper märchenhaft-zeitlose Elemente. Und natürlich wurde die Zauberflöte auch immer wieder auf ihre Nähe zur Freimaurerei gedeutet. Die Musik ist reich an freimaurerischer Symbolik. Ein Ritualbestandteil ist beispielsweise die Priesterfanfare, die erstmals in der Ouvertüre erklingt. Sie imitiert die Hammerschläge des Meisters vom Stuhl, des Vorsitzenden einer Freimaurerloge, und seiner beiden Aufseher während der Tempelarbeit. Doch begeht Mozart mit diesen Anspielungen an keiner Stelle »Geheimnisverrat«: Er war klug genug, sich mit Andeutungen zu begnügen.
Bis zuletzt schrieb Mozart Musiken, die der Gedankenwelt der Freimaurer nahestanden. Noch am 15. November 1791 trug er in sein Verzeichnis die Kantate Laut verkünde unsere Freude ein. Zwei Tage später dirigierte er ihre Uraufführung bei der Tempeleinweihung und Lichtbringung der Loge »Zur gekrönten Hoffnung«. Rund drei Wochen später war Mozart tot – und die Welt um ein weiteres Mysterium reicher.
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