Mit der Aufführung der Zehnten Symphonie von Dmitri Schostakowitsch griff Kirill Petrenko eine Tradition der Berliner Philharmoniker auf. Kaum ein anderes Werk des Komponisten stand über die Jahrzehnte so im Fokus des Orchesters. Legendär wurde vor allem ein Moskauer Konzert unter Leitung von Herbert von Karajan mit Schostakowitsch im Publikum.
Mit Schostakowitschs Zehnter verbindet die Berliner Philharmoniker eine besondere Beziehung. Nachdem Bruno Walter 1928 die Erste Symphonie des Komponisten dirigiert hatten, gab es zunächst eine längere Schostakowitsch-Pause, doch nach Kriegsende kamen die Fünfte, die Siebte und die Neunte in kurzer Folge aufs Programm, dirigiert vom Interims-Chef Sergiu Celibidache.
1959 entdeckte Herbert von Karajan die Zehnte für sich: Die einzige Schostakowitsch-Symphonie, die er je dirigierte. Das jedoch tat er ausgesprochen oft – nicht weniger als 17-mal. Die Symphonie wurde wahrhaft zur »Chefsache«, denn bis zum Ende seiner Amtszeit hat niemand anderes als Karajan sie bei den Philharmonikern dirigiert. Die denkwürdigsten Aufführungen ereigneten sich 1969 bei politisch hoch aufgeladenen Gastspielen in Moskau und Leningrad. In der sowjetischen Hauptstadt war, vor Aufregung zitternd, der Komponist unter den Zuhörern, der beim Schlussjubel, seltener Anblick, gelächelt haben soll, während Sprechchöre seinen und den Namen des Dirigenten skandierten: »Der ehemals verfemte Komponist erlebte vielleicht den größten Triumph seiner Laufbahn«, meinte Karajans Pressesprecher Peter Csobádi.
Auch nach Karajans Rücktritt 1989 blieb die Symphonie ein Lieblingsstück des Orchesters – häufiger als sie haben die Philharmoniker von den Symphonien Schostakowitschs nur die Fünfte aufgeführt. Zu den Dirigenten zählen Sir Georg Solti (1992), Paavo Järvi (2000), Semyon Bychkov (2007) und zweimal Seiji Ozawa, 2005 in Berlin und 2008 beim Gedenkkonzert zu Karajans 100. Geburtstag in Salzburg. Im selben Jahr interpretierte erstmals wieder ein Chefdirigent das Werk: Sir Simon Rattle dirigierte die Zehnte zur Eröffnung der Saison 2008/09 und danach in London und Dublin. Die vorerst letzte Interpretation leitete 2016 Mariss Jansons, der seinerzeit als junger Musiker das Moskau-Gastspiel der Berliner erlebt hatte.