Autor*in: Oliver Hilmes
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Vincent Vogel | Bild: Anne Schönharting / Ostkreuz

In dieser Rubrik stellen wir Berliner Philharmoniker und ihre außermusikalischen Leidenschaften vor. Heute: Pauker Vincent Vogel, der gerne auf Wellen reitet.

Kennen Sie Kelly Slater? Noch nie gehört? Wissen Sie, was man unter Goofy Foot versteht? Nein? Dann haben Sie vermutlich keinen blassen Schimmer davon, worum es hier überhaupt geht? Trösten Sie sich, mir ging es bis zu meiner Begegnung mit Vincent Vogel nicht anders. Doch der Reihe nach. 

Ich bin etwas spät dran, als ich an einem warmen Maitag zu meiner Verabredung mit Vincent Vogel in die Kantine der Philharmonie Berlin komme. Der 28-jährige Wiener trägt Bluejeans, ein weißes T-Shirt und Sneaker und sieht sportlich aus. »Meine Leidenschaft für das Surfen hat viel mit Corona zu tun«, sagt Vincent Vogel zu Beginn unseres Gesprächs. Als die Pandemie im Frühjahr 2020 ausbricht und der erste Lockdown verhängt wird, hat er gerade seine Stelle als Solopauker bei der Staatskapelle Halle angetreten – und ist auf einen Schlag zur Untätigkeit verdammt. Er kauft sich ein Ticket und flieht vor Inzidenzen und Abstandsregeln nach Lanzarote, wo er eher zufällig mit dem Surfen beginnt. Danach ist die Welt für ihn eine andere.

 »Das Surfen wurde mir nicht in die Wiege gelegt«, sagt Vincent Vogel lächelnd, »denn als kleines Kind hatte ich panische Angst vor Wasser. Mittlerweile kann ich aber ganz gut schwimmen.« Surfen, wie Vincent Vogel es betreibt, hat nichts mit Windsurfen zu tun. Er benutzt kein Segel, um sich mithilfe des Windes auf dem Wasser fortzubewegen, sondern nur ein Surfbrett, mit dem er auf den meist hohen Wellen reitet. »Die Technik ist leicht zu erlernen«, erklärt Vincent Vogel, »doch viel wichtiger ist es, sich der Angst zu stellen. Wenn sich eine zwei Meter hohe Welle vor dir aufbaut und dann bricht, macht das etwas mit dir.« Surfen habe viel mit Selbstkontrolle zu tun, fährt er fort, es komme darauf an, den Körper auf einen bestimmten Moment hin perfekt zu beherrschen. Das sei ja bei der Pauke ähnlich. »Warten und dann genau im richtigen Moment ganz da sein: das muss ein Pauker können.« 

Wellenreiten ist ein Hobby, das man in Deutschland nicht befriedigend betreiben kann, denn selbst die Wogen der Ost- und Nordsee sind nichts im Vergleich zu der Brandung vor den Inseln Hawaiis, woher das Surfen ursprünglich stammt. In Europa wird es ab Herbst etwa an der französischen Atlantikküste spannend. Dann fährt Vincent Vogel mit seinem VW-Bus in Richtung Süden und wartet auf die perfekte Welle. Das Handy erweist sich wie so oft als unverzichtbares Hilfsmittel, denn dank einer App lassen sich Wellen, die ja weit auf offener See entstehen, Tage vorhersagen. Oft ist er bis zu drei Stunden am Stück im Wasser, wobei der Ritt auf einer Welle maximal eine halbe Minute dauert. Beim Surfen kommt es auch auf die Position der Füße auf dem Brett an. Steht der rechte Fuß vorne, dann spricht man von besagtem Goofy Foot. 

Die meiste Zeit verbringe man mit Warten, erklärt Vincent Vogel, der seit August 2022 Mitglied der Berliner Philharmoniker ist. »Doch wenn die Welle kommt, ist das Gefühl einfach unbeschreiblich.« Und danach? »The best wave of your life is still out there«, sagt Kelly Slater, einer der besten Surfer aller Zeiten. Vincent Vogel nickt. Die beste Welle deines Lebens ist noch da draußen.