Elias ist eine der facettenreichsten Gestalten des Alten Testaments. Und nicht nur das: Auch von Juden und Muslimen wird er als Kämpfer gegen den Götzendienst verehrt. Seine spektakuläre Himmelfahrt in einem Flammenwagen machte ihn zudem zum Schutzpatron der Luftfahrt – und zum Protagonist von Felix Mendelssohns Oratorium. Die Berliner Philharmoniker präsentieren das Werk in dieser Woche unter der Leitung von Kirill Petrenko und mit Christian Gerhaher in der Titelpartie.
Ein zorniger Prophet, doch auch ein Mann voller Zweifel. Ein Eiferer, der zum Töten aufruft, und doch ein Mensch, der Mitleid und Güte beweist. Die Titelfigur in Felix Mendelssohns Oratorium Elias ist kein starrer Säulenheiliger, sondern ein Charakter aus Fleisch und Blut. Mendelssohns visionäre Musik mit ihren Schilderungen von Stürmen, Erdbeben, Wasserfluten und Feuer wirft sich voll elementarer Wucht hinein in diese alttestamentarische Geschichte – vergisst aber auch die Momente des Trostes nicht. Damit wurde der Elias konkurrenzlos zum beliebtesten Oratorium des 19. Jahrhunderts.
Auf Ikonen der Ostkirche sitzt der bärtige Elias einsam im Wald und blickt erwartungsvoll auf einen Raben, der ihm Speisen bringt; auf einem Gemälde von Lucas Cranach steht er dagegen mitten in einer wimmelnden Menschenmenge und fordert erfolgreich die Priester des Götzen Baal heraus. Elias, Elia, Elija heißt soviel wie »Mein Gott ist der Herr«. Und das beweist dieser Gottesmann, ob als Einsiedler oder als donnernder Prophet.
Felix Mendelssohn und sein Textdichter Julius Schubring orientierten sich für ihr Oratorium Elias im Wesentlichen an der alttestamentarischen Darstellung, wie sie im 1. und 2. Buch der Könige überliefert ist. Das historische Vorbild der Figur war wohl ein Wanderprediger aus dem Ostjordanland, der um 850 v. Chr. in Israel wirkte und unter anderem als magischer Regenmacher galt. Mit glühendem Eifer, Gebeten und Fasten propagierte er die ausschließliche Verehrung Jahwes und stachelte die unterdrückte Landbevölkerung gegen den korrupten König Ahab auf. Der Bibel zufolge starb Elias keines irdischen Todes, sondern wurde bei Jericho in einem Flammenwagen mit feurigen Pferden entrückt. Diese spektakuläre Himmelfahrt machte ihn in der späteren Verehrung zum Helfer bei Gewitter und Feuer, aber auch zum Schutzpatron der Luftfahrt. Ebenso wurden Dampflokomotiven früher umgangssprachlich »feuriger Elias« genannt.
Elias ist nicht nur für das Christentum von Bedeutung, auch von Juden und Muslimen wird er als Kämpfer gegen den Götzendienst verehrt. Im Judentum sieht man ihn zudem als Wegbereiter des Messias, weshalb man ihm zum Pessachfest für den Fall seines Erscheinens einen Becher bereitstellt. All das macht ihn zu einer eindrucksvoll facettenreichen Figur. Wie schon die Spannweite seiner Darstellung vom frommen Einsiedler auf den Ikonen bis zu Cranachs flammendem Volksredner zeigt: Elias war ein streitbarer Prophet, ein gewaltbereiter Kämpfer, aber auch ein erleuchteter Asket, der nichts zum Leben brauchte als Gottvertrauen.
In Mendelssohns Oratorium entfaltet sich die Handlung um Elisa so: Ahab, im 9. Jahrhundert v. Chr. König Israels, hat sich mit seinem Volk dem Wettergott Baal zugewandt. Großen Einfluss hierbei hatte Ahabs Ehefrau Isebel, in deren Heimat Phönizien dieser Kultus bereits verbreitet war. Ahab erbaute Baal Tempel und Altäre und erzürnte damit Gott (bzw. Jahwe, wie er im Alten Testament genannt wird). Dessen Prophet Elias will nun das Volk zum wahren Glauben zurückführen. Das Oratorium beginnt mit seiner Drohung, Jahwe werde eine Dürre senden.
Das Volk Israel leidet unter dem ausbleibenden Regen. Obadjah, Palastvorsteher König Ahabs und Parteigänger des Elias, ruft die Baalsgläubigen zur Umkehr auf. Ein Engel befiehlt Elias, sich am Bach Crith zu verbergen, wo ihn Raben ernähren. Als der Bach austrocknet, geht er auf Anweisung des Engels in die Stadt Zarpath. Dort trifft er auf eine Witwe, die ihn mit Speise und Trank aus einem sich immer wieder neu füllenden Ölkrug versorgt. Als der kranke Sohn der Witwe stirbt, macht sie Elias Vorwürfe, dass er nur gekommen sei, um Unheil zu bringen. Aber Elias erweckt das tote Kind zum Leben, und die Witwe erkennt ihn als Gesandten Gottes.
Im dritten Jahr der Trockenheit fordert Elias von König Ahab ein Gottesurteil. Jahwe und Baal werden auf dem Berg Carmel von ihren Gläubigen zur Entzündung eines vorbereiteten Opfers aufgerufen. Dreimal wird Baal vom Volk um ein Zeichen gebeten, das jedoch ausbleibt. Nun betet Elias zu seinem Gott, der das Feuer vom Himmel herabfallen lässt. Das Volk bekennt sich geläutert zu Jahwe. Am Bach Kison werden die Propheten Baals auf Elias’ Befehl hin getötet. Königin Isebel beklagt die Abkehr des Volks von ihrem Glauben.
Obadjah bittet Elias um ein Ende der Dürre, worauf der Prophet einem Knaben befiehlt, nach Regen Ausschau zu halten. Der Knabe sieht zunächst nichts am Himmel, doch endlich kündigt er eine erlösende Wolke an. Dankbar feiert das Volk die Wasserfluten des Regens.
Zu Beginn des zweiten Teils ruft eine Stimme das Volk zur Gottesfurcht auf. Elias kündigt König Ahab an, der Herr weder ihn für seine Vergehen strafen, worauf Königin Isebel das Volk aufwiegelt. Die Stimmung wendet sich gegen den Propheten, und Isebel ruft das Volk auf, Elias zu töten. Obadjah warnt ihn vor der drohenden Verfolgung und drängt ihn, in der Wüste Zuflucht zu suchen.
Auf der Flucht erkennt Elias, dass sein Versuch, das Volk zu bekehren, vergeblich war. Er sehnt sich nach seinem Tod. Doch Engel beschützen ihn und fordern ihn auf, zum Gottesberg Horeb zu gehen. Auf seinem Weg fleht Elias seinen Herrn an, sich ihm zu offenbaren. Das Nahen Gottes erzeugt Sturm, Erdbeben und Feuer, er selbst jedoch zeigt sich einem »sanften Säuseln«. Gott befiehlt Elias, wieder nach Israel zu gehen und dort die zurückgebliebenen Siebentausend, die sich dem Baal-Kultus widersetzen, zu versammeln. Elias stürzt den König, bewegt das Volk Israel zur Umkehr und wird von Gott in einem Feuerwagen zum Himmel geführt. Mit Lobpreisungen des Herrn endet das Oratorium.
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Mendelssohn ging mit Anfang zwanzig auf eine dreijährige Bildungsreise und brachte viel Inspiration für seine späteren Werke mit.
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