Die Berliner Philharmoniker und ihr Chefdirigent Kirill Petrenko trauern um Wolfgang Rihm, der am 27. Juli 2024 im Alter von 72 Jahren gestorben ist. »Mit Wolfgang Rihm verlieren die Berliner Philharmoniker einen musikalischen Partner und Freund, der uns mit seinen Werken immer wieder inspiriert und überrascht hat«, so die Orchestervorstände Eva-Maria Tomasi und Stefan Dohr. »Wolfgang Rihm verstand es auf einzigartige Weise, musikalische Innovation mit Ausdruckskraft zu verbinden. Dabei verwirklichte er ein Klangideal, das uns als Orchester besonders nahe war. Diese Nähe führte zu einer Zusammenarbeit, die sich über fast fünf Jahrzehnte erstreckte. Als deren Fortsetzung sollte Wolfgang Rihm uns als Composer in Residence durch die Saison 2024/25 begleiten. In den geplanten Orchester- und Kammerkonzerten werden wir nun mit Dankbarkeit und Zuneigung auf einen großen Komponisten und wunderbaren Menschen zurückblicken.«
Wolfgang Rihm ist der meist aufgeführte deutsche Komponist unserer Zeit, seine Opern, Orchester- und Kammermusikwerke erreichen international ein breites Publikum. Ein Grund für diesen Erfolg war Rihms generelle Haltung zum Komponieren. »Klangereignisse mit Eigensinn« wollte er schaffen, keine abstrakten Konzepte und Botschaften vermitteln. In seinen rund 600 Werken hat er immer wieder neue Wege beschritten, um der zeitgenössischen Musik eine Stimme zu geben. Das verbindende Element war dabei der individuell gefühlte Ausdruck. »Musik ist immer menschlich«, sagte er selbst dazu. Und auf die Frage, wie viel von ihm in seinen Werken enthalten sei, antwortete er: »Ich glaube, alles. Auch meine Ängste, meine Furcht und natürlich auch die Euphorie.« Er sei ein Komponist, der sich »schutzlos zeige«, der sich »immer ungeschützt den Prozessen der Rezeption geöffnet« habe.
Wolfgang Rihms Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern begann im November 1977 mit der von Hans Werner Henze dirigierten Aufführung des Werks Lichtzwang. Da war Wolfgang Rihm gerade 25 Jahre alt und hatte bei den Musiktagen in Donaueschingen für erstes Aufsehen gesorgt. Wolfgang Stresemann, damals Intendant der Berliner Philharmoniker, wurde zu einem Mentor Rihms und engagierte sich unter anderem für die Uraufführung der abendfüllenden Dritten Symphonie, die Michael Gielen 1979 dirigierte. Ab 1989 setzte sich Claudio Abbado als Chefdirigent nachdrücklich für Wolfgang Rihm ein. Dessen Name stand nun regelmäßig auf dem Programm, oft mehrfach innerhalb einer Saison.
Auch zu Mitgliedern des Orchesters entwickelte Wolfgang Rihm eine enge Beziehung, nach seinen Worten »weil sie in meiner Musik etwas erkannten, das sie mit ihren Vorstellungen von Kunst in Verbindung bringen konnten – eine gewisse Energetik, eine gewisse Intuition«. Die Kammermusik-Ensembles der Berliner Philharmoniker spielten oft seine Werke, unter anderem 2002 in einer »Philharmonischen Nacht« zum 50. Geburtstag des Komponisten. Ein weiteres wichtiges Jubiläum markierte 2013 das Festkonzert zum 50-jährigen Bestehen der Philharmonie Berlin, bei dem Simon Rattle die Uraufführung von Rihms IN-SCHRIFT 2 dirigierte.
Für die Saison 2024/25 ernannten die Berliner Philharmoniker Wolfgang Rihm zu ihrem Composer in Residence. Wolfgang Rihm war zu dieser Zeit bereits schwer erkrankt, freute sich aber, dass die Partnerschaft mit dem Orchester auf diese Weise noch einmal einen kraftvollen Impuls erhalten sollte. Nun wird die Residency »in memoriam« stattfinden: mit Symphoniekonzerten, in der Quartett- und in der Klavier-Reihe. Am sichtbarsten wird Wolfgang Rihms enge Verbindung mit den Berliner Philharmonikern in der Serie Philharmonische Kammermusik, die von Musikerinnen und Musikern des Orchesters bestritten wird und in jedem Konzert ein Werk Rihms präsentiert.