Wolfgang Rihm war eine Berühmtheit, wie es sie in der zeitgenössischen Musik nicht oft gibt. Als Composer in Residence sollte er die Berliner Philharmoniker durch die Saison 2024/25 begleiten. Nach Wolfgang Rihms Tod am 27. Juli 2024 werden die geplanten Konzerte nun in memoriam stattfinden. Im vergangenen März hatten wir Gelegenheit, mit Wolfgang Rihm zu sprechen: über Inspiration, über Schönheit in der Moderne und über das Erlernen von Gelassenheit.
Herr Rihm, woher kommt Ihre Musik? Oder anders gefragt: Was bedeutet in Ihrem Fall Inspiration?
Musik entsteht als Antwort auf Musik, als Antwort auf die Welt. Innerhalb eines In-Beziehung-Setzens der eigenen Welt mit der anderen Welt, mit der Daseins-Welt. Das ist nichts Konzeptuelles, sondern etwas ganz Natürliches, das sich bei mir entwickelt hat wie die Atmung, wie ein organischer Prozess.
Die Welt, auf die Sie antworten, ist selbst oft eine künstlerische Welt: die der Musik, der Kunst und Literatur. Wie muss ein Werk sein, um in ihnen etwas auszulösen?
Es sollte nicht genormt, sondern eine subjektive, individuelle Äußerung sein. Darin sollte sich nicht eine übergeordnete Haltung ausdrücken, sondern der Eigensinn des oder der Schaffenden. Damit hat sich’s aber auch schon. Es kommt nicht darauf an, dass man die ursprüngliche Aussage aus meinem Werk wieder herausoperieren kann, sie ist nur die Basis.
Sie kleiden Ihre Inspirationsquelle also nicht bloß aus, sondern sie wird bei Ihnen zu etwas ganz Eigenem?
Das hoffe ich. Ob es gelingt, müssen andere feststellen.
Welche Musik anderer inspiriert Sie? Gibt es Komponisten oder Musikrichtungen, die Sie zuverlässig in Schwingung versetzen?
Kann ich nicht sagen. Da geht es um zufällige Begegnungen, momentane Eindrücke, Keime, die aufgehen, die etwas auslösen. Das kann man nicht konkretisieren.
Passiert Ihnen das auch mit Jazz oder Rock- oder Popmusik?
Ich gehe nicht ins Konzert, um eine bestimmte Musikrichtung zu hören. Ich versuche immer das, was ich höre, in seiner Eigenart und seiner eigenen Substanz zu begreifen. Da erspüre ich manchmal taube Nüsse und manchmal schwere Gewässer.
Sie ahnen aber im Vorhinein, ob da eher taube Nüsse auf Sie warten.
Ich suche sicher nicht mühsam und unter Entbehrungen Unterhaltungsmusik auf, damit ich ihr endlich erliegen kann.
Wenn die Inspiration Sie erreicht hat und Sie mit dem Schreiben anfangen, was braucht es da eher? Furor oder Selbstbeherrschung?
Beides. Nichts bedarf mehr der Selbstbeherrschung als der Furor, um in Tätigkeit umgesetzt werden zu können. Es muss von beidem etwas da sein, um sich an sich selber zu steigern. Außerdem ist es nicht so, dass es zuerst das Feld der Inspiration gibt und dann das Feld der Umsetzung. Das fließt ineinander. Oft merke ich erst, indem ich etwas tue, dass da eine Inspiration gewesen sein könnte.
Wie strukturieren Sie Ihre Eingebungen, damit aus ihnen ein Werk entsteht? Ist das ein eher geordneter oder spontaner Prozess?
Das Werk strukturiert sich selbst und ich muss so sensibel sein, seine Eigenbewegung seismografisch aufnehmen zu können. Form entsteht nach meinem Gefühl, nach meinem Formgefühl. Dadurch, dass Kräfteverhältnisse oder Massen oder Texturen aufeinander reagieren. Wenn ich hier etwas ändere, geschieht da etwas. Also heißt es immer: die Ohren gespitzt und die Sinne geöffnet für das, was einem entgegenkommt. Und dann die Wahl treffen. Nicht, indem ich mich dem Geschehen unterwerfe, sondern indem ich das Geschehen wie ein Gärtner pflege.
Es gibt also weniger einen Masterplan als die Arbeit am Detail?
Die wichtigen Entscheidungen für die Form geschehen nicht im Großen und Überganzen, sondern im Kleinen. Wie schließt etwas an? Ist es leicht brüchig, ist es direkt? Diese Unschärfen sind es letztlich, die einen Notentext zu einem Klangereignis mit Eigensinn werden lassen.
Dieses organische Wachsen der Form ist auch beim Hören zu erleben. Ihre Musik entfaltet sich oft wie ein Roman. Das ist von Ihnen so beabsichtigt?
Das ist einerseits beabsichtigt, andererseits nicht anders gekonnt. Früher in der Schule sollten wir bei Deutsch-Aufsätzen zuerst eine Gliederung machen. Ich habe immer erst den Aufsatz geschrieben und hinterher die Gliederung. Die hat immer gepasst.
Wenn Sie so komponieren – woher wissen Sie, wann ein Stück zu Ende ist?
Instinktiv. Manchmal ist es ein großer Kampf. Im Verlauf zu sein – das rettet, das trägt. Aber etwas zu beginnen und zu beenden, das ist das Schwierigste.
Stellt sich irgendwann das Gefühl ein, einem Werk nichts mehr hinzufügen zu können?
Das gibt es. Es gibt auch das völlige Verlassen auf den Zufall, das plötzliche Offenlassen, das Abbrechen und das bewusste Schließen und Bergen. Es gibt verschiedene Gesten des Schließens, wo ich erspüren muss, welche die richtige ist. Manchmal ist es ein Spiel mit Tonkonstellationen oder Farben. Und dann weiß ich plötzlich: Halt! Das ist es!
Gibt es das öfter beim Komponieren? Das Ergreifen des flüchtigen Gedankens?
Ja, manchmal – der rettende Gedanke ….
Den man nicht provozieren kann, sondern er kommt oder er kommt nicht.
So ist es. Es ist eine selige Ungerechtigkeit.
Frühere Komponisten konnten sich zur Not auf Normen zurückziehen, nach denen man etwa eine Symphonie beendet. Die gibt es so nicht mehr, Sie sind als zeitgenössischer Komponist völlig frei. Haben Sie diese Freiheit je als beängstigend empfunden?
Freiheit ist immer etwas Beängstigendes, wenn man sie gestalten muss. Wenn man sie einfach nur genießt, ist es gut. In der Kunst dagegen heißt es auch immer: realisieren, gestalten, formen. Aber ich rede von Dingen, die mir zurzeit gar nicht möglich sind. Zurzeit bin ich außerhalb meines Metiers. Ich bin zwar nominell noch Komponist, aber ich habe seit anderthalb Jahren nichts gemacht.
Sie sind erkrankt.
Es ist ein Krebs, ein Sarkom im Oberschenkel, das metastasiert und das mir die physische Kraft nimmt, die zum Komponieren erforderlich ist. Es braucht nämlich nicht nur einen wachen Geist, sondern auch einen robusten Körper. Man muss seiner Physis beim Komponieren enorm viel zumuten, jedenfalls in der Art, wie ich es mache. Das stundenlange, wochenlange Sitzen, das Schreiben, das ist mir so gar nicht mehr möglich. Ich muss warten, bis sich mir etwas anderes eröffnet.
Sie haben seit Ihrer Kindheit komponiert. Sie kennen ein anderes Leben gar nicht.
Ich kenne das nicht, nein. Ein neuer Zustand. Sehr interessant.
Ist das überhaupt auszuhalten?
Ja, weil es ein Œuvre gibt und nicht nur uneingelöste Absichten. Natürlich gibt es bei mir viele offene Enden, Begonnenes und nicht Verfolgtes. Aber eben auch Vollendetes, fertig Gemachtes, sehr viel Lebendiges. Das rettet mich irgendwie in meinem momentanen Zustand.
Und wenn Sie jetzt Anregungen empfangen, die Sie sonst hätten komponieren lassen – können Sie die vorbeiziehen lassen?
Ja. Die münden nirgends. Aber das ist völlig untragisch zu sehen. Wie überhaupt diese ganze Lebenssituation eine enorme Neusicht der Dinge, gerade der künstlerischen Dinge für mich bedeutet. Ich kann nicht sagen, dass ich nicht gelassener werde.
Aber das ist gut.
Natürlich ist es gut. Vielleicht ist es das, was man lernen muss.
Sie haben die Bedeutung Ihres Œuvres angesprochen. Wie ist es mit der Wahrnehmung Ihres Schaffens durch das Publikum, durch andere Menschen. Ist die Ihnen wichtig?
Selbstverständlich. Ich richte mich ja an Menschen. Aber nicht an bestimmte Menschen, sondern an die Möglichkeit »Mensch«.
Stellen Sie sich die Frage, ob Ihre Musik nur den erfahrenen oder auch den unerfahrenen Hörer erreicht? Haben Sie versucht, Menschen zur zeitgenössischen Musik zu führen oder zu verführen?
Dann würde ich ein Produkt anbieten und mit dem Bauchladen von Tür zu Tür gehen: »Hier, nehmen Sie das. Es wird Ihnen guttun.« Was ist der erfahrene Hörer? Das ist der Hörer, der mit sich selbst Erfahrungen machen konnte, der etwas mit sich in Erfahrung brachte und etwas erfahren hat, das er vorher nicht kannte. Ohne solche Erfahrungen wird ihn auch alte Kunst nicht erreichen. Denn Kunst ist ja immer eine Forderung. Der Hörer, der mit alter Kunst Erfahrungen gemacht hat, ist mir genau so recht. Dann ist er nämlich sensibel genug, auch mit neuer Kunst Erfahrungen zu machen.
Diesen Hörer scheint es oft zu geben. Ihre Musik wird sehr viel aufgeführt, mehr als die jedes anderen deutschen Komponisten. In irgendeiner Weise muss sie doch besonders erreichbar sein.
Aber das ist nicht eine Erreichbarkeit, die aufgrund einer Mehrheitsbefragung entstanden wäre. Sondern es ist eine Erreichbarkeit, weil ich mich schutzlos zeige, weil ich mich immer ungeschützt den Prozessen der Rezeption geöffnet habe.
Sie haben nicht angestrebt, ein viel aufgeführter Komponist zu sein?
Doch, als junger Komponist wollte ich schon, dass die Dinge wahrgenommen werden. Und auch noch als alter.
Lassen Sie uns über den jungen Wolfgang Rihm sprechen. 1974 hat die Aufführung von Morphonie in Donaueschingen für viel Aufmerksamkeit gesorgt, aber weil Sie hier das traditionelle Instrumentarium verwendet haben, galt das Werk nicht als Avantgarde. Hat Sie das gestört?
Wie man wahrgenommen wird, hat man nicht in der Hand. In dem einem Konzert sitzen Abonnenten und finden alles furchtbar, in einem anderen Konzert sitzen Avantgardisten und finden alles furchtbar. Im nächsten Konzert sitzen gemischt Abonnenten und Avantgardisten und finden alles furchtbar. Hinzu kommt der Vorbehalt: Was will denn der? Der Jungspund? Das habe ich damals sehr gespürt.
Ihre Wirkung hatte viel mir Ihrem Alter zu tun?
Sie hatte mit dem Alter zu tun und auch mit meiner Haltung. Ich habe komponiert und mich nicht dafür entschuldigt. »Oh, tut mir leid, das ist leider schön geworden. Tut mir leid, das ist leider hässlich geworden.« Ich habe die Musik dem Furor der bereitstehenden Kategorisierungen überantwortet und abgewartet, was dann noch bleibt.
Wie sind Sie mit der Zwölftonmusik umgegangen? Sich auf deren Seite zu schlagen, galt ja als Beleg für gegenwärtiges Komponieren.
Ich habe das alles bei meinem Lehrer Eugen Werner Velte im Kontext von Aufgaben gelernt. Dadurch habe ich schon mit 17 Jahren eine Symphonie geschrieben, die zwölftönig ist.
Was man ihr nicht unbedingt anhört, weil sie so expressiv ist.
Natürlich. Ein Stück kann tonal und eiskalt sein – und dann wieder sehr heiß sein. Das heißt erstmal gar nichts. Diese Techniken stellen für viele den Ausweis für Zeitgenossenschaft dar. Aber eigentlich tragen sie nur dazu bei, etwas werden zu lassen, was zu sich kommt, was etwas Eigenes ist. Das ist wird oft vergessen.
Sind Sie ein Einzelgänger?
Ja.
Warum ist das so?
Weil ich mich nicht zum Heerführer eigne. Ich bin nicht jemand, der eine Anhängerschar hinter sich versammelt. Ich bin immer Privatmann gewesen und habe immer auf die Entscheidungen meiner Intuition hören dürfen.
Hat Ihnen das geschadet?
Es gab sicher Situationen, wo meine Idee von Autorschaft nicht vorgesehen war. Aber es kann einem ja künstlerisch nichts Besseres passieren, als nicht vorgesehen zu sein.
Es gibt noch einen anderen Bereich, wo Sie aus Ihrem Umfeld herausfallen. Die 70er Jahre waren eine hoch politisierte Zeit. Komponisten, die Ihnen nahestanden, wie Hans Werner Henze oder Luigi Nono haben sich für die Revolution eingesetzt. Das haben Sie nicht getan.
Nein.
Wie war es für Sie, als eher unpolitischer Komponist wahrgenommen zu werden?
Allein die Bezeichnung »politischer Komponist« empfand ich einerseits wie eine contradictio in adiecto, andererseits wie eine Tautologie. Natürlich ist man, wenn man sich künstlerisch äußert und in eine Öffentlichkeit hineinspricht, immer politisch. Und natürlich war ich froh, dass mit meiner Musik keine faschistischen Aufläufe untermauert werden konnten.
Finden Sie es wichtiger, menschliche statt politische Musik zu schreiben?
Was ist menschliche Musik? Die ganze Musik ist immer menschlich. Es gibt ohne Menschen keine Musik. Es gibt Musik, die tut so, als wäre sie nicht menschlich. Sei es, dass sie so tut, als sei sie im Besitz der moralischen Höherwertigkeit, oder sei es, dass sie so tut, als sei sie von irgendeinem Stern gefallen. Das sind alles Hilfskonstruktionen für aufgelassene Verantwortung. Musik ist etwas ganz Menschliches, etwas Urmenschliches.
Wie stehen Sie zur Schönheit in der zeitgenössischen Musik? Die gilt in Fachkreisen ja oft als verdächtig.
Was verstehen Sie unter Schönheit?
Die Kantilenen von Montezuma in [Wolfgang Rihms Oper] Die Eroberung von Mexiko entsprechen zum Beispiel meinen Vorstellungen von Schönheit.
Ja, meinen auch. Aber die habe ich nicht geschrieben, um einer Schönheit zu entsprechen.
Schöne Musik ist nichts, was Sie anstreben?
Ich strebe auch keine hässliche Musik an, vielleicht strebe ich überhaupt keine Musik an, sondern nur eine Haltung zu den Dingen, eine Geöffnetheit.
Und wenn etwas als schön empfunden wird, ereignet sich das von Ihnen ungesteuert?
Ja, zum Schönen gehört auch das Ungesteuerte, sehr gut.
Man kann in Ihrer Musik öfter eine Abfolge von Schönheit und Verstörung wahrnehmen. Ähnlich wie bei Schubert, wo man aus Ländler-Herrlichkeit unvermittelt in Abgründe stürzt.
Das ist sicher eine Haltung, die mir menschlich entspricht und die momentweise hervordringt.
Ist das dann auch eine Äußerung zum Allgemein-Menschlichen, zum Leben überhaupt? Schönheit gehört zum Leben, aber auch das Ende der Schönheit, der Abbruch.
Zu allem gehört das Ende. Zur Schönheit vor allem gehört das reflektierte Ende. Was macht denn die Schönheit aus? Dass sie mal nicht mehr sein könnte. Das macht wehmütig.
Wie viel vom Menschen Wolfgang Rihm ist in ihrer Musik enthalten?
Ich glaube, alles. Auch meine Ängste, meine Furcht und natürlich auch die Euphorie. Aber ich will meine Musik nicht belasten, indem ich sie mit solchen Vokabeln behänge.
Dann lassen Sie uns über Sie und die Berliner Philharmoniker sprechen. Das ist eine sehr langjährige Beziehung. Erinnern Sie sich, wie das Orchester 1977 zum ersten Mal eines Ihrer Werke aufgeführt hat? Das war Lichtzwang, dirigiert von Hans Werner Henze.
Daran erinnere ich mich sehr gut. Auch an den Konzertmeister Leon Spierer, der das Violinsolo mit einem Kontaktmikrofon spielen musste, weil ich den Orchestersatz an manchen Partien zu dicht und zu laut und zu aktiv komponiert hatte. Die Solovioline hatte es daher schwer sich durchzusetzen. Aber dann ist das Kontaktmikrofon heruntergefallen, und ich dachte: In Zukunft komponierst du solche Musik besser.
Welche weiteren Eindrücke von der Arbeit mit den Berliner Philharmonikern haben Sie im Gedächtnis?
Ich erinnere mich gut an meine Gespräche mit [dem Intendanten] Wolfgang Stresemann, der eine Art Mentor für mich war und meine Zweite Symphonie mit Václav Neumann als Dirigent aufs Programm gesetzt hat. Auch die Uraufführung meiner Dritten Symphonie hat er ermöglicht, die wegen ihrer Länge von über einer Stunde das einzige Stück des Programms war.
Und viele weitere Werke sind gefolgt. Welche Erklärung für Ihre lange Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern haben Sie?
Das hatte immer mit Menschen zu tun. Claudio Abbado war hier sicher sehr wichtig. Der hatte ein gewisses Faible für meine Sachen und hat sie immer wieder aufs Programm gesetzt.
Und Ihre Beziehung zum Orchester?
Das waren individuelle Verbindungen. Ein Orchester ist ja nicht eine Masse, da gab es immer welche, zu denen ich eine gute Beziehung hatte. Weil sie in meiner Musik etwas erkannten, das sie mit ihren Vorstellungen von Kunst in Verbindung bringen konnten. Aber es gab auch sehr viel Ablehnung.
Woran hat die sich festgemacht?
Am gleichen. Was im einen Fall angezogen hat – nämlich eine gewisse Energetik, eine gewisse Intuition –, das hat im anderen Fall Furchtsamkeit erzeugt.
Aber innerhalb der zeitgenössischen Musik sind Sie doch mit Ihrem Klang dem Klang der Berliner Philharmoniker sehr nahe.
Das denke ich auch. Aber damals, als ich Mitte 20 war, haben das viele nicht so gesehen. Gegen die Uraufführung der Dritten Symphonie gab es viel Widerstand.
Das hat sich gewandelt. Sie sind 2024/25 Composer in Residence der Berliner Philharmoniker und die ganze Saison mit Ihrer Musik präsent. Da rundet sich eine Geschichte.
Ja, es wird etwas weitergeführt.
Wenn Sie heute Ihr Gesamtschaffen vor sich sehen, diese sehr vielfältigen 500 oder 600 Werke, erkennen Sie dann Strukturen, die bei der Entstehung der einzelnen Werke noch nicht wahrnehmbar waren? Oder ist dieser Korpus insgesamt ungeordnet?
Er setzt immer wieder Referenzen. Ich gehe mit vielem wieder zurück zu anderem, vor zu anderem, binde etwas ein, verlasse etwas, konfrontiere es mit Neuem. Das ist dann kein Selbstzitat, sondern eine Selbstbegegnung. So entsteht eine geschichtete Form, die etwas fast Geologisches hat.
Sie haben nun dieses gewaltige Œuvre geschaffen, viele Ihrer Werke sind ins Repertoire eingegangen. Eigentlich könnten Sie zufrieden sein. Oder ist Zufriedenheit etwas Unkünstlerisches?
Ich bin zufrieden. Auf eine unzufriedene Art.
Das Gespräch wurde im März 2024 in Wolfgang Rihms Wohnung in Karlsruhe geführt.