Hans von Bülow, der Uraufführungsdirigent des Tristan und geniale Beethoven- und Brahms-Interpret, verkörperte zu seiner Zeit den modernen Typ des Dirigenten: exzentrisch in der Gestik, kompromisslos, analytisch in der musikalischen Arbeit, ausdrucksstark im künstlerischen Ergebnis. Äußerlich nicht attraktiv, aber von vollendeter Eleganz – er dirigierte stets mit weißen Glacéhandschuhen – besaß er eine bezwingende, magische Ausstrahlung. Seine herrschaftlichen Attitüden und Extravaganzen waren bekannt – und wurden ihm verziehen, weil er vor allem eines war: ein Orchestererzieher höchsten Grades.
Bülow hatte bereits aus der provinziellen Meininger Hofkapelle einen erstklassigen Klangkörper gemacht. Nun riss er die Berliner Philharmoniker, denen er eine große künstlerische Intelligenz bescheinigte, aus ihrer »braven Mittelmäßigkeit« (Allgemeine Musikzeitung) heraus und etablierte Standards, die die Grundlagen für den späteren Weltruhm des Orchesters bildeten. Trotz seiner Strenge, seiner unerbittlichen Arbeits- und Probenwut fühlten sich die Philharmoniker menschlich tief mit ihm verbunden.
Fünf Jahre dauerte die Zusammenarbeit, ehe sich Bülow, der seit seiner Kindheit kränkelnd und nervenleidend gewesen war, aus gesundheitlichen Gründen aus dem Konzertbetrieb zurückzog. Er starb am 12. Februar 1894.
Sein Weggang hinterließ im Berliner Musikleben eine empfindliche Lücke. Konzertagent Hermann Wolff suchte vergeblich große Dirigenten wie Hans Richter und Felix Mottl zu engagieren, schließlich übergab er die musikalische Leitung seiner Abonnement-Konzerte dem jungen Richard Strauss, einem Zögling Bülows. Strauss, noch am Anfang seiner Karriere stehend und auf die Nachfolge Bülows hoffend, konnte jedoch mit seinen progressiven Programmen das Berliner Publikum nicht in die Philharmonie locken. Und Hermann Wolff hatte bald einen anderen Dirigenten im Auge: Arthur Nikisch.