Autor*in: Kerstin Schüssler-Bach

Entstehungszeit: 2011
Uraufführung: 10. November 2011 im Stockholmer Konserthuset durch das Königliche Philharmonische Orchester Stockholm, Dirigent: Sakari Oramo
Dauer: 30 Minuten

Erzählerische Fantasie, virtuose Instrumentation und gesellschaftliche Relevanz – mit diesen Attributen haben sich die expressiven Kompositionen von Brett Dean einen festen Platz im Musikleben gesichert. Als Bratscher war der Australier 15 Jahre lang Mitglied der Berliner Philharmoniker, bevor er den Sprung in das Dasein als freischaffender Komponist wagte.

Mit der Gefährdung der Natur beschäftigt sich Dean seit vielen Jahren. Atemberaubend schöne Küsten, üppige Regenwaldschluchten und grüne Berge zeichnen die Umgebung seiner Geburtsstadt Brisbane aus. Die Klimaerwärmung macht Australien jedoch schwer zu schaffen, Wirbelstürme und Buschfeuer häufen sich. Am 7. Februar 2009 hielt sich Brett Dean in Melbourne auf. Es herrschten Temperaturen von 47 Grad – »eine Hitze, die ich vorher niemals so erlebt hatte«, erinnert er sich. An diesem Tag brach nur wenige Kilometer entfernt ein verheerendes Großfeuer aus, das sich rasant ausbreitete. In der Feuerwalze starben 173 Menschen, eine Fläche so groß wie das Saarland wurde zerstört. In Erinnerung an die Opfer dieses »Black Saturday« schrieb Dean sein Orchesterwerk Fire Music. Das halbstündige Stück bildet jedoch nicht nur die Katastrophe ab. In seine Konzeption bezog Dean auch die Kraft des Feuers in indigenen Traditionen ein. Rituelle und narrative Aspekte stehen daher nebeneinander: Die Flammen züngeln und lodern in einer glitzernden Textur, ballen sich zu einer Explosion zusammen. Aber weit über das illustrative Moment hinaus birgt die Vorstellung des Feuers auch kultische Ideen: die Imagination von Reinigung und Wiedergeburt, wie sie etwa Zeremonien der Aborigines kennen. Monate nach dem »Black Saturday« besuchte Dean Freunde in der verwüsteten Zone. »In all der grauen Asche streckten sich schon wieder grüne Blätter nach oben. Aus diesem Horror spross neues Leben«, erinnert sich Brett Dean. Das Publikum wird dabei von einem Klangraum eingeschlossen: Drei Instrumentengruppen sind wie Satelliten im Saal platziert – ein Streichquartett sowie gegenüber platziert je eine Gruppe mit Flöte, Trompete und Schlagzeug. Sie nehmen die Geräuschspur der Elektronik auf, in die sich drohende Schläge der Großen Trommel mischen. Flackernde Läufe in den Bläsern verdichten sich. Nichts verkörpere das Gefühl von flirrender Hitze für ihn besser als der Sound einer E-Gitarre, erklärt Brett Dean. Auf ihr monolithisches Solo antwortet wie ein klagender Vogelruf die Flöte. Nach der Brutalität der Flammenwand setzt ein Wiegenlied des Streichquartetts ein, das den Impuls ans Orchester wie in einem langsamen kultischen Tanz weitergibt. Doch das Feuer ist noch nicht gelöscht…

Während der Zeit bei den Berliner Philharmonikern zeigte Brett Dean seine Partituren auch Wolfgang Rihm – posthum der Composer in Residence des Orchesters in dieser Saison. »Alle Musik ist Theater«, habe Rihm ihm mitgegeben und so ihn so darin bestärkt, nach dramatischem Ausdruck zu streben. Von Anfang an war Fire Music daher auch in einer choreografierten Version für das Australian Ballet mitgedacht.