Entstehungszeit: 1878-1881
Uraufführung: 9. November 1881 in Budapest unter der Leitung von Alexander Erkel und mit dem Komponisten am Klavier
Dauer: 50 Minuten
Bei den Berliner Philharmonikern:
erstmals am 3. November 1882, Dirigent: Joseph Joachim, Solist: Heinrich Barth
»Ein zweites soll schon anders lauten«, beendete Johannes Brahms lakonisch seinen Kommentar über das Desaster, das er 1859 in Leipzig mit seinem eben fertiggestellten Klavierkonzert Nr. 1 erlebt hatte. Mit seinem Riesenwerk in d-Moll hatte er alle Grenzen der Ausgewogenheit gesprengt, zum hörbaren Widerwillen des Publikums. Doch er nahm es sportlich: »Ich versuche ja erst und tappe noch.« Brahms wollte die Ablehnung in Ansporn ummünzen – und hielt Wort, selbst wenn das »Anderslautende« noch volle zwei Jahrzehnte auf sich warten lassen sollte.
Oft in seinem Schaffen fügen sich zwei Werke derselben Gattung wie zu einem ungleichen, sich ergänzenden Paar: Der tragisch grundierten Ersten Symphonie gesellte sich die (zumindest äußerlich) freundliche Zweite hinzu, der elegischen Dritten die energischere Vierte, uns ebenso ist dem wild stürmischen frühen Klavierkonzert das viel abgeklärtere späte in B-Dur gegenübergestellt. Was beide eint, ist der außerordentliche Umfang. Die weit über zwanzig Minuten des d-Moll-Kopfsatzes erreicht derjenige des neuen Konzerts zwar nicht, aber an Takten übertrifft das Gesamtwerk das alte noch um über ein Drittel. Brahms gab sich sogar stolz darauf, dem Dirigenten Franz Wüllner gegenüber brüstete er sich (wie immer selbstironisch abgefedert): »Es kann sich wirklich mit jedem messen! ich glaube, es ist das längste –!« Natürlich kam es Brahms nicht auf die Länge an. Die Dimension des Ganzen erwächst aus dem Versuch, alles Wesentliche in der nötigen Ausgewogenheit zu sagen – mit dem Anspruch, ein großes Werk für Klavier und Orchester zu schaffen, das die auseinanderstrebenden Ziele einer symphonischen und einer konzertanten Konzeption miteinander vereint. Das Soloinstrument ist nicht strahlender Herrscher über weite Lande, aber es zieht sich auch nicht verschämt zurück. Die emotionalen Ausbrüche seines ersten Gattungsbeitrags hat Brahms in seinem Zweiten Klavierkonzert gebändigt, aber das Brodeln unter der Oberfläche nicht ablöschen wollen.
Das Werk, 1881 während einer Sommerfrische im Wienerwald abgeschlossen, hebt mit einem Ruf des Solohorns an, dem das Klavier sogleich antwortet. Brahms weicht also vom klassischen Formmodell ab, in dem das Soloinstrument dem Orchester den Vortritt lässt. Hier dagegen durchmisst das Klavier zunächst einmal gelassen fast den ganzen Tonraum, als nähme es den Hörer freundlich bei der Hand, ihn mit dem Klang- und Gefühlsspektrum vertraut machend, um dann in einer gedrängt auskomponierten Solopassage die Grenzen des Spielbaren auszuloten.
In der darauffolgenden Orchesterexposition des Themas kommen sofort die für Brahms typischen Verarbeitungen zum Tragen: mit Motivteilen, die rhythmisch verschoben, abgespalten, neu kombiniert und erweitert werden. Dem im Ganzen doch moderaten Kopfsatz stellte Brahms durch das an zweiter Stelle eingeschobene Allegro appassionato einen dramatischen Kontrast entgegen, womit er – erstmals in einem Solokonzert – die Satzzahl auf vier erweiterte. Danach ist Raum für die Idylle des langsamen Satzes mit seiner vom Solocello vorgestellten, berückend schönen Melodie (Brahms sollte sie einige Jahre später im Lied Immer leiser wird mein Schlummer aufgreifen.) Doch das Idyll bleibt nicht ohne Irritation: Das Klavier fährt mit lauten Trillern und gezackten Motiven in die Stimmung hinein und löst einen wehmütigen Mittelteil aus. Das Finale dagegen tanzt fast unbeschwert dahin, führt ungarische Anklänge spazieren und spurtet mit einer rauschenden Coda ins Ziel.