Autor*in: Martin Demmler

Entstehungszeit: 1917-1918
Uraufführung: 13. März 1921 im Pariser Konservatorium durch das Orchestre Pasdeloup unter der Leitung von Rhené-Baton
Dauer: 5 Minuten

Lili Boulanger schrieb die Orchesterfassung dieser kurzen Tondichtung wenige Wochen vor ihrem Tod, im Januar 1918. Sie bildet das optimistische, heitere Gegenstück zu D’un soir triste, das kurz zuvor entstanden war. Von beiden Werken existieren originale Fassungen der Komponistin für kammermusikalische Besetzungen und für Orchester, beide benutzen zudem identisches thematisches Material. Die Komponistin hatte sich im letzten Kriegsjahr nach Mézy-sur-Seine westlich von Paris zurückgezogen, wo sie von ihrer älteren Schwester Nadia bis zu ihrem frühen Tod im März 1918 gepflegt wurde.

Der scheinbar unbeschwerte Frühlingsmorgen, den Lili Boulanger in diesem Stück thematisiert, spiegelt sich vor allem in einer zarten, äußerst transparenten Instrumentation. Vorherrschend sind für den Impressionismus typische harmonische Fortschreitungen, wie man sie auch aus Werken von Claude Debussy, Gabriel Fauré oder Maurice Ravel kennt. Ganz anders als in dem düsteren Schwesterwerk ist die Farbpalette hier hell, der melodische Fluss arabesk und fast verspielt. Lyrische Sensitivität bestimmt diese Partitur, die einen lebhaften Tagesbeginn schildert und nach immer wieder neuen harmonischen Wendungen und rhythmischen Überraschungen mit einem abrupten, leicht hingetupften Schlussakkord endet. Bis heute ist D’un matin de printemps das populärste und meistgespielte Orchesterstück von Lili Boulanger.