Entstehungszeit: 1808-1809
Uraufführung: 28. November 1811 in Leipzig unter der Leitung von
Johann Philipp Christian Schulz und mit dem Solisten
Friedrich Schneider
Dauer: 37 Minuten
Bei den Berliner Philharmonikern:
erstmals am 18. November 1882 unter der Leitung
von Karl Klindworth und mit der Solistin Sofie Menter
Eines der beliebtesten Werke des klassischen Konzertrepertoires – und zugleich eines der vielschichtigsten: Vollendet hat Ludwig van Beethoven das Fünfte Klavierkonzert in jenen Tagen des Frühjahrs 1809, in denen Wien zum zweiten Mal von Napoleons Truppen belagert wurde. Es war der britische Musikschriftsteller George Grove, der ihm 1879 den Beinamen »Emperor« gab. Kollegen wie Donald Francis Tovey lehnten solche Assoziationen mit Kaiserherrlichkeit als allzu vulgär ab. Nicht ganz zu Unrecht ist der Name dennoch an diesem prachtvollen Es-Dur-Konzert haften geblieben, zumindest in der englischsprachigen Welt, schließlich nimmt es mit weit ausgreifenden Gesten und mächtiger Klangentfaltung für sich ein. Heroisch-militärische Charaktere prägen die Themen der Außensätze und vielfach auch die Instrumentation. Dabei ist die Selbstbehauptung des Soloparts von Anfang an besonders effektvoll in Szene gesetzt.
Und doch beruht die mitreißende Wirkung der dramatischen Entladungen letztlich auf jenen Situationen, in denen Lautstärke und Bewegung auf ein Minimum reduziert sind. Im Kopfsatz betrifft dies etwa die wie auf Zehenspitzen marschierende Mollversion des Seitenthemas. Schon im Orchestervorspiel geht sie der geschmeidigen Durvariante des gleichen Gedankens voraus. Auch der Übergang zur Reprise, wenn zu den leisen Dreiklangsbrechungen des Klaviers nur die insistierenden Bratschen übrigbleiben, ist ein solcher Moment gespanntesten Wartens. Oder natürlich das Ende des Finales: Über dem in der Ferne pochenden Militärrhythmus der Pauke scheint langsam Stille einzukehren. Doch dann lösen die entfesselten Läufe des Klaviers die alles beschließende Kraftgeste des Orchesters aus.
Meditative Ruhe im Stil frühromantischer Nachtstimmungen verströmt der zweite Satz, das Adagio un poco moto in H-Dur, das von den gedämpften Streichern getragen wird. Dem ersten Klaviereinsatz versieht Beethoven mit der mysteriösen Vortragsanweisung dämmernd. Eine Vorstellung des Gemeinten vermittelt die Bemerkung, die er am unteren Rand der Partiturseite anbrachte: »Östreich löhne Napoleon«: Heimzahlen solle sein Land dem französischen Eroberer, was dieser seinen Landsleuten angetan hat. Der erwähnte Beiname des Konzerts ist auch deshalb problematisch, weil gar nicht klar ist, welchem »Kaiser« Beethoven hier wohl hätte huldigen sollen. Obwohl seine Haltung zu Napoleon zwischen Bewunderung und Abscheu schwankte, trug er sich im Herbst 1808 tatsächlich mit dem Gedanken, am Hof von dessen jüngstem Bruder Jérôme in Kassel das Amt des Kapellmeisters anzunehmen. Auf diese Weise erhöhte er den Druck auf seine Förderer in Wien. Die Taktik hatte Erfolg: Innerhalb kurzer Zeit hatte sich ein Konsortium junger Adliger zusammengefunden, die ihm eine Leibrente gewährten und damit ein Leben als freischaffender Komponist ermöglichten.
»Welch zerstörendes, wüstes Leben um mich her, nichts als Trommeln, Kanonen, Menschenelend in aller Art.« Mit diesen Worten beschrieb Beethoven seinem Verleger Breitkopf Ende Juli 1809 die Situation im von Napoleons Truppen besetzten Wien. Als der französische »Empereur« die Stadt im Mai hatte bombardieren lassen, flüchtete sich der Komponist in den Keller seines Bruders und umhüllte seinen Kopf mit dicken Kissen, um die empfindlichen Ohren vor dem Lärm des Kanonendonners zu schützen. Was also transportieren all die militärischen Verweise im Fünften Klavierkonzert? Der Amerikaner Leon Plantinga, Autor eines Buchs über Beethovens Konzerte, versteht sie metaphorisch: »Gedanken an das Militärische, das in Beethovens Welt ständig präsent war, dürften ihn (und heute uns) an den allgemeineren menschlichen Daseinskampf erinnert haben. Die damit verbundenen heroischen Gebärden wiesen auf einen Adel des Charakters hin, dem er zur Durchsetzung verhelfen wollte.«