Autor*in: Malte Krasting

Dauer: 8 Minuten

Gleich bei seiner ersten Lektüre von Oscar Wildes Drama Salome erkannte Richard Strauss, welches musikalische Potential darin steckte: Die Fülle an Motiven, mit denen Wilde sein Theaterstück durchwebte, seine genau kalkulierten Bilder und Metaphern wie Mond­scheibe, Blicke, Blut, Windhauch, Vogelschwingen erzwangen geradezu eine farbenreiche, leitmotivartige Umsetzung in Töne. Nach zwei etwas verstolperten Gehversuchen im Musiktheater hatte Strauss mit Salome das perfekte Sujet gefunden, um seine in Tondichtungen gereifte Kunst des orchestralen Illustrierens nun auch in einer Oper anzuwenden. Vom Erfolg des Werkes, um das ihn Kaiser Wilhelm noch bedauerte (»er wird sich damit furchtbar schaden«), konnte sich der Komponist nach eigenen Worten seine Garmischer Villa bauen; Salome war die erste seiner Opern, die sich dauerhaft im Spielplan halten sollte.

Der Tanz der Titelfigur ist der Wendepunkt der Handlung: Die Tochter der Königin Herodias tanzt vor ihrem Stiefvater Herodes, nachdem der ihr die Erfüllung eines jeglichen Wunsches versprochen hat. Salome tanzt, als ginge es um ihr Leben – und verlangt danach den Kopf des eingekerkerten Propheten Jochanaan, der zuvor ihre Avancen abgewiesen hatte. Herodes, durch seinen Schwur gebunden, lässt dem strengen Mahner das Haupt abschlagen. Die Musik zu Salomes Tanz komponierte Strauss ganz am Schluss, als alles andere schon fertig war. Er griff darin fast alle vorher etablierten Motive in pseudoorientalischem Gewand auf und steigerte sie bis zur Ekstase.