Autor*in: Tobias Möller

Entstehungszeit: 1936-1938
Uraufführung: 5. November 1938 in New York mit den Streichern des NBC Symphony Orchestra unter der Leitung von Arturo Toscanini
Dauer: 8 Minuten

  1. Molto adagio

Bei den Berliner Philharmonikern:
erstmals am 10. Dezember 1945 im Titania-Palast, Dirigent: John Bitter

Langsam schleichen sich die Streicher in das Ohr, sie lamentieren nicht, sondern sind von verhaltener Melancholie. Irgendwann, nach gut sechs Minuten, bricht die Musik ab, und erst jetzt merkt man die emotionalen Höhen, die erklommen wurden. Samuel Barbers Adagio for Strings ist nicht offenkundig auf Überwältigung angelegt – und gerade deshalb von so tiefer Wirkung. Wir wissen nicht, ob der Komponist hier tatsächlich eine zu Tränen rührende Trauermusik schaffen wollte. Nüchtern betrachtet ist dies einfach der zweite Satz seines Streichquartetts op. 11. Es war ausgerechnet der Dirigent Arturo Toscanini – berüchtigt für sein unerbittliches Kommando über seine Orchestermusiker –, der Barber mit der Erarbeitung einer Fassung für Streichorchester beauftragte. In dieser Besetzung wurde das Adagio zum Inbegriff orchestraler Trauer. Eine Umfrage der BBC wählte es zum »saddest classical work ever«, noch vor dem Adagietto aus Mahlers Fünfter Symphonie. Es erklang bei der Beerdigung von Berühmtheiten wie Franklin D. Roosevelt, John F. Kennedy, Albert Einstein und Gracia Patricia von Monaco, im April 2021 wurde es im Berliner Konzerthaus im Rahmen der nationalen Veranstaltung zum Gedenken an die Toten der COVID-19-Pandemie gespielt. Dass das Adagio trotz dieser fast schon unheimlichen Popularität Hörerinnen und Hörer immer noch zu ergreifen vermag, ist ein starker Beleg für seine tatsächliche Substanz und Größe.