Autor*in: Harald Hodeige

Entstehungszeit: 1909
Uraufführung: 28. November 1909 im New Theatre in New York unter der Leitung von Walter Damrosch und mit dem Komponisten am Klavier
Dauer: 39 Minuten

  1. Allegro ma non tanto – Allegro – Tempo primo – Alla breve. Allegro molto – Tempo primo
  2. Intermezzo. Adagio – Un poco più mosso –
  3. Finale. Alla breve – Lento – Tempo primo. Alla breve – Più vivo – Vivace – Vivacissimo – Presto

Bei den Berliner Philharmonikern:
erstmals am 12. März 1923, Dirigent: Alexander Selo, Klavier: Nikolaj Orloff

»Ich glaube fest an das, was man klaviereigene Musik nennen könnte«, bekannte Sergej Rachmaninow einmal in einem Interview. »So viel ist bereits für dieses Instrument geschrieben worden, das nicht seiner Natur entspricht. Rimsky-Korsakow ist wahrscheinlich der größte russische Komponist; doch niemand spielt heute jemals seine Konzerte, da sie nicht klaviermäßig sind. Auf der anderen Seite werden die Konzerte Tschaikowskys sehr oft aufgeführt, da sie gut in den Fingern liegen.«

»Klaviereigene Musik« – sie komponierte Rachmaninow auch mit seinem dritten und letzten Klavierkonzert, das er trotz der immensen technischen Anforderungen – bereits bei der Uraufführung stellte ein Kritiker die berechtigte Frage: »Who is afraid of Rachmaninow?« – seinem zweiten vorzog. Gedacht war das im Sommer 1909 in Iwanowka bei Uwarow entstandene Werk für die erste Amerika-Tournee, die der Komponist, Dirigent und Jahrhundertvirtuose direkt nach Aufgabe seiner Ämter am Moskauer Bolschoi-Theater zu planen begonnen hatte: »Ich schufte wie ein Zwangsarbeiter.« Als Rachmaninow dann im Oktober in Richtung Neue Welt aufbrach, hatte er neben einer Unmenge von Gepäck auch eine »stumme Klaviatur« bei sich: Der ungewöhnlich anspruchsvolle Solopart dieses in letzter Sekunde vollendeten »Elefantenkonzerts«, wie er es nannte, war selbst für einen Ausnahmepianisten wie ihn eine echte Herausforderung: Von allen großen Konzerten für Tasteninstrument ist »Rach 3« das mit den meisten Noten pro Sekunde im Solopart. Selbst der berühmte polnische Pianist Józef Hofmann, den Rachmaninow nach Anton Rubinsteins Tod für den besten Pianisten seiner Zeit hielt, lehnte es ab, das ihm gewidmete Stück zu spielen. Die außergewöhnlichen Ansprüche erschöpfen sich allerdings nicht in mechanischer Virtuosität – dieses wohl letzte große romantische Klavierkonzert versteht sich auch auf verinnerlichte leise Töne. Die an einen altrussischen liturgischen Gesang erinnernde Melodie in den ersten Takten etwa wollte Rachmaninow »auf dem Klavier singen, wie ein Sänger es täte«.

Zweifellos stellt das klassisch dreisätzig angelegte Konzert, das durch ausgeprägte Kantabilität, Eleganz, abwechslungsreiche Klangfarben und fesselnde Kontraste besticht, einen Höhepunkt in Rachmaninows gesamtem Schaffen dar. Bereits im ersten Satz fordert die Klavierkadenz – jener Abschnitt, in dem der Pianist ohne Orchesterbegleitung sein Können unter Beweis stellt und der hier von einem Holzbläser-Zwischenspiel gegliedert wird – in technischer und physischer Hinsicht ein absolutes Höchstmaß an Können, weshalb der Komponist später eine vereinfachte und gekürzte zweite Kadenz nachgereicht hat. Es vergingen Jahre, bis andere als Rachmaninow überhaupt in der Lage waren, das Konzert zu spielen. Zu den wenigen, denen es gelang, zählt Vladimir Horowitz, der das Stück in den 1920er-Jahren in sein Repertoire aufnahm und bald besser beherrschte als der Komponist selbst (Rachmaninow konstatierte, dass der aufstrebende Starpianist offensichtlich den nötigen »Wagemut« dafür aufbrachte). 1939 war Walter Gieseking einer der ersten Pianisten, die sich an die ursprüngliche Fassung mit der langen Kadenz wagten. Zum Durchbruch verhalf dem Werk Van Cliburn beim Tschaikowsky-Wettbewerb 1958, als er dort ebenfalls die ungekürzte Version des Konzerts spielte. Seitdem gehört das berühmt-berüchtigte »Rach 3« zum Standardrepertoire der meisten Pianistinnen und Pianisten. Im zweiten Satz hat das Orchester ein über 30-taktiges Vorspiel, bis das Klavier einsetzt und sich ein ständiger Dialog zwischen Solo und Tutti entwickelt. In dem sich ohne Unterbrechung anschließenden Finale lässt Rachmaninow dann ein weiteres Mal seinem hochdramatischen melodischen Gespür freien Lauf.