Entstehungszeit: 1785
Uraufführung: 10. Februar 1785 in Wien mit dem Komponisten
am Klavier
Dauer: 34 Minuten
Bei den Berliner Philharmonikern:
erstmals am 8. Dezember 1884, Dirigent: Franz
Wüllner, Klavier: Alfred Grünfeld
»Hier ist doch gewiss das Clavierland!«, schrieb Wolfgang Amadeus Mozart seinem besorgten Vater Anfang Juni 1781 aus Wien: »mein fach ist viel zu beliebt hier, als daß ich mich nicht souteniren sollte«. Bereits wenige Tage später kündigte der 25-Jährige seinen Dienst beim verhassten Salzburger Erzbischof, kehrte seiner Heimatstadt den Rücken und begann, sich in Wien eine Existenz als freischaffender Musiker aufzubauen. Und tatsächlich schien es das »Clavierland« mit dem jungen Musiker zunächst gut zu meinen. Innerhalb kurzer Zeit stieg Mozart in der kaiserlichen Hauptstadt zu einem gefeierten Klaviervirtuosen, geachteten Komponisten und gefragten Klavierlehrer auf. Eine kaum zu überschätzende Rolle spielten in diesem Zusammenhang die zahlreichen Klavierkonzerte, die er zwischen 1782 und 1786 komponierte. Größtenteils in selbst veranstalteten Akademien oder Subskriptionskonzerten uraufgeführt, boten sie Mozart die Möglichkeit, sowohl seine kompositorischen als auch seine pianistischen Fähigkeiten wirkungsvoll zur Schau zu stellen.
Leopold Mozart, der seinem Sohn von dem Schritt in die risikobehaftete selbständige Künstlerexistenz, abgeraten hatte, verfolgte diese Entwicklungen im 300 Kilometer entfernten Salzburg mit Skepsis. Doch als er im Februar 1785 erstmals zu einem Besuch nach Wien reiste, schlugen seine Bedenken in Begeisterung um. An der Seite Joseph Haydns erlebte er ein Subskriptionskonzert im Casino Zur Mehlgrube. Am Tag nach dem Konzert versicherte ihm Haydn, sein Sohn sei »der größte Componist«, den er »von Person und den Nahmen nach kenne«. »Das Concert war unvergleichlich, das Orchester vortrefflich«, berichtete der stolze Vater seiner Tochter. Gespielt worden seien neben Symphonien und zwei Arien auch »ein neues vortreffliches Clavierconcert vom Wolfgang, wo der Copist, da wir ankamen, noch daran abschrieb, und Dein Bruder das Rondeau noch nicht einmal durchzuspielen Zeit hatte …«.
Das in letzter Minute fertiggewordene »vortreffliche« Werk war das Klavierkonzert in d-Moll, das heute als Nummer 20 gezählt wird. Symphonisch im Anspruch, dramatisch in der Konzeption und von einer außerordentlichen Expressivität setzt es einen neuen Ton in der Gattung, begeisterte nachfolgende Komponistengenerationen von Beethoven bis Busoni und prägte mit seinen »romantischen« Zügen das Mozart-Bild im 19. Jahrhundert. Dass Mozarts erstes Klavierkonzert in Moll zugleich ein äußerst experimentelles Werk ist, das die Hörgewohnheiten des Wiener Uraufführungspublikums zweifellos herausforderte, zeigt sich bereits in den Anfangstakten. So versetzt uns der kühne Werkbeginn unvermittelt in eine gespannte Klang- und Ausdruckssphäre. Statt eines klar konturierten, einprägsamen Themas hören wir ein bewegtes Gewebe aus unruhigen Synkopen und vorwärtsdrängenden Bassfiguren, aus dem sich erst nach und nach eine thematische Gestalt in den Ersten Geigen herausschält. Und auch der weitere Werkverlauf ist voller Überraschungen. So knüpft der Solist bei seinem ersten Einsatz nicht an die eindrucksvolle symphonische Introduktion an, sondern betritt die Bühne mit einem eigenen Thema, das dem prozesshaften Werkbeginn eine nicht weniger expressive, aber in ihrem Ausdruckscharakter völlig verschiedene Facette der d-Moll-Sphäre entgegensetzt.